Valiant Hearts: Coming Home

Valiant Hearts: Coming Home spielt im Ersten Weltkrieg, beginnt mit dem Kriegseintritt der USA und setzt damit zeitlich nahtlos am Vorgänger Valiant Hearts: The Great War an. Es erzählt im GraphicNovel-Stil die bisher weitgehend unbekannte Geschichte der Harlem Hellfighters, des ersten afroamerikanischen Regiments, das im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam. Wie schon der Vorgänger konzentriert sich Valiant Hearts: Coming Home vor allem auf menschliche Schicksale, die durch die Wirren des Krieges verbunden werden.

Das Gameplay besteht aus einer einfach zu bedienenden Mischung aus Erkundung, Action und Rätseln. Neu hinzu kommt die Musik als zentrales Gameplay-Element, das den Stellenwert des Jazz für die Harlem Hellfighters betont, die diese Musikrichtung nach Europa brachten. 

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Ubisoft Montpellier, Old Skull Games (Frankreich)
  • Publisher: Ubisoft, Netflix
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Genre: Adventure, Puzzle
  • Thema: Erster Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Hoch
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Gering
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Lucas Haasis

Dr. Lucas Haasis forscht und lehrt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg am Institut für Geschichte.

Valiant Hearts: Coming Home spielt im Ersten Weltkrieg und erzählt die bisher weitgehend unbekannte Geschichte der Harlem Hellfighters, des ersten afroamerikanischen Regiments, das im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam. 1917 schickt die USA zum ersten Mal schwarze Soldaten an die Front. Das 369te US-Infanterieregiment, das zu großen Teilen aus Soldaten aus den USA, aber auch aus Männern aus Puerto Rico, Kuba und Guyana bestand, kämpfte an der Seite der Franzosen.

Das animierte AdventureGame im GraphicNovelStil beginnt mit dem Kriegseintritt der USA und setzt damit zeitlich nahtlos am Vorgänger Valiant Hearts: The Great War an. Der Kriegseintritt der Amerikaner sollte den Kriegsverlauf maßgeblich verändern und verschiebt damit auch den Fokus des Spiels, das mit dem Kriegsende schließt. Ubisoft bleibt sich gleichsam treu und konzentriert die Erzählung vor allem auf menschliche Schicksale, die durch die Wirren des Krieges verbunden werden. Teil 1 war eine Liebesgeschichte. Teil 2 erzählt nun die Geschichte zweier Brüder. Dreh- und Angelpunkt des Spiels sind James und Freddie. James ist Mitglied der Harlem Hellfighters und sucht nach seinem Bruder Freddie, den Spielende noch aus dem 1. Teil kennen. Ebenfalls alte Bekannte sind der Hund Walt und Anna, die belgische Krankenschwester. Neu hinzu kommen George, ein britischer Flieger und Ernst, ein deutscher Tiefseetaucher, der aus der zivilen Handelsschifffahrt kommt, dann aber in den Krieg hineingezogen wird.

Das Game ist als Mobile Game von Ubisoft Montpellier zusammen mit Old Skull Games entwickelt worden. Das Gameplay ist dadurch einfach und eine Mischung aus Erkundung, Action und Rätseln. Neu hinzu kommt die Musik als zentrales Gameplay-Element, da die Harlem Hellfighters den Jazz nach Europa brachten. Das Spiel kann mittlerweile auf allen Plattformen gespielt werden und hat eine Altersfreigabe ab 12 Jahren. 

Video-Kurzreview

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Der Nachfolger des preisgekrönten und als Meilenstein geltenden Valiant Hearts: The Great War setzt dessen Geschichte nahtlos fort, sodass die Spiele zusammen den gesamten Zeitraum des 1. Weltkriegs abdecken. Spielende durchleben die Skagerrakschlacht, die Maas-Argonnen-Offensive und das Kriegsende. Dennoch bleibt das Spiel nicht bei der Erzählung dieser Ereignisse stehen, sondern bietet durch den Fokus auf die Harlem Hellfighters eine neue Perspektive, die Themen wie Diskriminierung, Jazz, Kameradschaft oder Widerstand aufwirft. Die Geschichte der Harlem Hellfighters ist in der kollektiven Erinnerung nahezu unbekannt und in Spielen nur wenig thematisiert, obwohl deren Geschichte einschneidend war für die Militär-, Kultur– und Musikgeschichte. Hier tritt eine Gruppe in den Vordergrund, die Aufmerksamkeit verdient. Der oft bemühte Werbeslogan von Spielen als „Tribut an die unbesungenen Heldenhält der Geschichte im Spiel tatsächlich stand. Dennoch erzählt Valiant Hearts keine amerikanische Heldengeschichte. Der Hauptcharakter James dient mit seinem Regiment im französischen Heer, weil der Rassismus auf amerikanischer Seite schwarze Soldaten in den eigenen Reihen nicht zuließ. Die Harlem Hellfighters erfuhren letztlich erst durch die Musik angemessene Anerkennung. Tatsächlich waren es die Harlem Hellfighters, denen es heute zugeschrieben wird, die Musikrichtung des Jazz erstmals nach Europa gebracht zu haben. Mit dem neuen Fokus auf eine bisher marginalisierte Gruppe ist dieses Antikriegsspiel ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur.

Diskussionspunkte

Valiant Hearts: Coming Home zeigt einen Weg auf, wie die Möglichkeiten des Mediums Spiel genutzt werden können, die Erinnerung an die verheerenden Auswirkungen des Ersten Weltkriegs wach zu halten: durch die Erfahrung von Immersion und eine emotionale Ansprache in Kombination mit einer bisher wenig bekannten Geschichte. Die Geschichte der Harlem Hellfighters wird dabei mit großen Kriegsereignissen wie der Maas-Argonnen-Offensive und bekannten Geschichtsbildern wie dem Stellungskampf verbunden während mit dem dargestellten Rassismus im Heer und der Musik in den Reihen der Harlem Hellfighters gleichzeitig neue Themen eingeführt werden. Der Rassismus der Amerikaner wird bereits direkt in der ersten Szene aufgedeckt. Im Trainingscamp sehen wir wie die schwarzen Soldaten eigene Eingänge zu benutzen hatten, wie sie statt Gewehre Besen bekommen und statt Granaten mit Steinen werfen müssen. Bereits diese Szene am Anfang des Spiels bietet direkten Diskussionsanlass für Bildungskontexte. Der Jazz verleiht dem Spiel eine besondere Atmosphäre. Die Musik verschafft oft Auflockerung, führt dann aber gleichzeitig immer wieder zurück zum Ernst der Lage, weil es sich bei den Musikern gleichzeitig um Soldaten handelt, die kämpfen müssen. Die Stärke des Spiels ist die besondere Spielästhetik, die es erlaubt mit jungen Menschen behutsam und mit Aktualitätsbezug über Krieg und die Erfahrungen von Angst, Tod oder psychischer Belastung im Krieg zu sprechen. Dabei wandelt das Spiel die Abstraktheit der europäischen Urkatastrophe, wie der Erste Weltkrieg in der Forschung genannt wird, in konkrete menschliche Schicksale um. Das führt zu einer persönlichen Perspektive auf den Krieg und zur Selbstreflexion. Dabei merken Spielende, dass es sich um eine Spielwelt handelt, die aber – etwa durch die Anlehnung an reale Personen wie dem Musiker und Soldaten James Reese Europe – historisch glaubhaft erscheint und damit die weitere Auseinandersetzung mit der Zeit anregt. Die teils von Plattitüden gekennzeichnete Charakterzeichnung aus Teil 1, in dem z.B. die deutschen Figuren mit Wurst und Bier gezeigt werden, wird zurückgelassen und Spielende begegnen einer neuen Ernsthaftigkeit im Spiel, nicht zuletzt gefördert durch die Zusammenarbeit mit dem Historiker Dr. John Morrow Jr., dem Komponisten Jason Moran, und der intensiven historischen Recherche und dem Einbezug von schwarz-weißen Fotografien aus den Portalen des Imperial War Museums, von Europeana und ECPAD. Moral spielt eine große Rolle im Spiel, unterbeleuchtet bleibt jedoch die Schuldfrage, die ausgeblendet wird bzw. zieht man sich auf die Ebene der persönlichen Schicksale zurück. Einzig in der Figur des deutschen Tauchers Ernst wird die Frage der moralischen Verantwortung im Krieg konkret aufgeworfen. Ernst muss sich mehrfach der Gewissensfrage stellen. Am Ende entscheidet er sich für die Kameradschaft und verweigert den Befehl. Ob die Matrosen und Soldaten in den tatsächlichen U-Booten auch mit diesem Gedanken spielten? Die Geschichte lässt anderes vermuten – erneut liefert das Spiel damit einen direkten Diskussionsanlass für Schule oder Universität. 

Einsatzmöglichkeiten

Wie der Vorgänger, der es als eines der ersten Digitalen Spiele in Schulbücher geschafft hat, ist auch Valiant Hearts: Coming Home in besonderem Maße für den Einsatz in der Schule geeignet. Durch die besondere Geschichte, die erzählt wird, das einfache Gameplay und die Spielbarkeit auf allen gängigen Plattformen übertrifft das Spiel den Vorgänger letztlich auf praktischer Ebene sogar. Als Mobile Game kann das Spiel mit Netflix-Account ohne zusätzliche Kosten gespielt werden. Ansonsten kann es über alle gängigen Plattformen erstanden werden und in Tablett-Klassen sehr einfach und praktikabel zum Einsatz kommen. Möglich sind 10-minütige thematische Spielsequenzen innerhalb einer 45/90 Minuten Einheit oder längere Spielphasen in Gruppenarbeit. Die Spielmechaniken mit einfachen Wischgesten sind so niedrigschwellig, dass auch Nicht-Spieler*innen sie schnell beherrschen lernen. Obwohl das Spiel Krieg thematisiert, ist das Gameplay selbst friedlich. Wir bewegen uns im Krieg, erleben Leid, ohne jedoch Leid zuzuführen. Die fiktiven Akteure handeln entsprechend indem sie z.B. Dinge sammeln, Wunden verbinden, schleichen und sich verstecken, Dinge zur Ablenkung werfen, rennen oder Flugzeuge zusammenbauen. Das Spiel ist geeignet für Sek. I und II (ab Klasse 8 / USK 12) zum Beispiel als begleitende Unterrichtseinheit oder Stationenlernen. Besonders sind die Multiperspektivität, die Spielästhetik, die konkrete Einbezug von Quellen wie Fotografien und Darstellungstexten zu Ereignissen und Artefakten des Ersten Weltkriegs. Das Spiel fördert insbesondere die Sachkompetenz zur Alltags- und Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs und die Sachurteilskompetenz zu den Folgen von Krieg, Rassismus und Diskriminierung. Gerade die Geschichte der Harlem Hellfighters und der der Jazzmusik – beides unerwartet für Schüler*innen zur Thematik des Ersten Weltkriegs kann das Interesse der Schüler*innen in besonderem Maße wecken, bietet Reflexionsanlässe und eine einschlägige Lernerfahrung. 


Weiterführendes Material

Weiterführendes Video: 

Barnaud, Gérard und Lucas Haasis. “Valiant Hearts: Coming Home. Historiker interviewt Gérard Barnaud zum neuen Spiel von Ubisoft.” Interview von Lucas Haasis, 25. März 2024. Audio, 25:24. https://youtu.be/ipYA6ZhbBsI. 

Genannte Bildportale: 

ECPAD. L’Établissement de communication et de production audiovisuelle de la Défense. “Images défense.” Zugriff am 01. Juli 2024. https://www.ecpad.fr 

Europeana. “Discover Europe’s digital cultural heritage.” Zugriff am 01. Juli 2024. https://www.europeana.eu/en 

IWM. Imperial War Museum. “IWM Collections.” Zugriff am 01. Juli 2024. https://www.iwm.org.uk/collections 

Weiterführende Literatur und Links: 

Fillari, Alessandro. 2023. “Valiant Hearts: Coming Home Explores the Underrepresented Heroes of World War I.” IGN Nordic, 24. Februar 2023. https://nordic.ign.com/valiant-hearts-2/64553/feature/valiant-hearts-coming-home-explores-the-underrepresented-heroes-of-world-war-i. 

Harris, Stephen L. 2003. Harlem’s Hell Fighters: The African-American 369th Infantry in World War I. Washington, D.C.: Brassey’s, Inc. 

Hielscher, Hans. 2018. „Afroamerikaner im Ersten Weltkrieg Der Soundtrack von Harlems Höllentrupp.“ Spiegel Geschichte, 23. Oktober 2018, https://www.spiegel.de/geschichte/harlem-hellfighters-band-wie-eine-schwarze-militaerkapelle-jazz-nach-europa-brachte-a-1228868.html. 

Lippok, Juliane. 2023. Spielbeurteilung „Valiant Hearts: Coming Home.” spielbar.de, einem Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung, 06. April 2023. https://www.spielbar.de/spiele/150682/valiant-hearts-coming-home 

Mikkensen Jr., Edward. 2007. “369th Infantry Regiment Harlem Hellfighters.” Blackpast, 17. Januar 2007. https://www.blackpast.org/african-american-history/369th-infantry-regiment-harlem-hellfighters. 

Sammons, Jeffrey T., und John H. Morrow Jr. 2015. Harlem’s Rattlers and the Great War: The Undaunted 369th Regiment and the African American Quest for Equality (Modern War Studies). Lawrence: University Press of Kansas. 

Vicencio, Chastity. 2023. “How Valiant Hearts: Coming Home Honors The Harlem Hellfighters.” Ubisoft News, 10. Februar 2023. https://news.ubisoft.com/en-gb/article/6JXdXiyDUBLQWXSOEIIE5a/how-valiant-hearts-coming-home-honors-the-harlem-hellfighters. 

Zitierempfehlung

Haasis, Lucas. „Valiant Hearts: Coming Home“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 09.07.20024 [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Projekts "Let's Remember! Erinnerungskultur mit Games vor Ort" in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.