Games im Geschichtsunterricht
PDF – Handreichung zum Einsatz von Games im Unterricht – mit Video
Vorbemerkung
Digitale Spiele sind nicht nur eine Freizeitaktivität, sondern ein wichtiges Kulturgut. Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland spielen regelmäßig Spiele – auf dem Computer, der Konsole oder dem Handy (game Jahresreport 2023). Unter Jugendlichen liegt der Anteil der Spielenden bei 81% (KIM-Studie 2022). Spiele mit geschichtlichem Hintergrund erfreuen sich dabei einer großen Beliebtheit (Schwarz 2023, Brandenburg u.a. 2023). Spiele sind dadurch auch ein wesentlicher Teil unserer Geschichts- und Erinnerungskultur (Pfister/Zimmermann 2020, Nolden 2019) und damit eine wichtige Form der Geschichtsvermittlung (Behnke 2022). Die Art und Weise, wie wir erinnern und an was wir heute erinnern, wird durch Spiele maßgeblich mit beeinflusst. In den Bildungsinstitution wie der Schule oder in der Lehramtsausbildung spielen Spiele aber weiterhin noch immer nur eine marginale Rolle und zählen weiterhin nicht zu den etablierten Lernmedien. Das ist nicht nur ein Manko, sondern nicht mehr zeitgemäß, weil der Anschluss an die jüngere Generation verpasst wird und die Prägung in diesem Bereich dem Freizeitbereich überlassen wird, anstatt die jugendliche Lebenswelt bezogen auf den Umgang mit Games auch in der Schule zu „bejahen“ (Uzunoğlu 2019, 5). Zudem wird Potential verschenkt, in der heutigen medial geprägten Welt Kompetenzen wie Medienkompetenz und Geschichtsbewusstsein zu schulen, was im Zuge des immer stärker werdenden Einflusses von Fake News und geschichtsrevisionistischen Tendenzen in Politik und Gesellschaft wichtiger denn je wird.
„Viele junge Menschen erhalten ihren ersten Eindruck von historischen Epochen, Personen und Ereignissen in diesem visuell überzeugenden spielerischen Format, [Lehrkräfte und] Historiker*innen sollten diesen virtuellen Darstellungen der Vergangenheit daher mehr Aufmerksamkeit schenken” (AHR 2021, 214, eigene Übers.). Junge Menschen spielen und Spiele haben sich fest in der Medienkultur etabliert, demnach sollte das Medium auch im kontrollierten Rahmen der Schule thematisiert werden. Wissenschaftliche Pionierstudien wie das Berliner Modellprojekt „Games machen Schule“ der Stiftung Digitale Spielekultur von 2022 haben gezeigt, dass Spiele den Lernanreiz bei Lernenden erhöhen (Stiftung Digitale Spielekultur 2022). Studien zeigen zudem, dass sich bereits 3/4 der Lehrkräfte mehr Spiele in der Lehramtsausbildung wünschen (Rüth/Birke/Kaspar 2022). In der alltäglichen Praxis und in der Breite jedoch, so die Rückmeldungen von Lehrkräften in Seminaren und Fortbildungen, werden die Hürden zur Nutzung von Spielen im Unterricht noch immer zumeist als zu hoch empfunden. Fehlende technische Ausstattung, rechtliche Bedenken, zu viel Aufwand, Befürchtungen bezogen auf fehlende eigene Kompetenzen auf Seiten der Lehrkraft, befürchtete Kritik von Seiten der Elternschaft, fehlender Überblick zu aktuellen Spielen, fehlende Zeit oder Anbindung an den Lehrplan sind die typischen Bedenken bezogen auf den Einsatz von Spielen.
Das reichhaltige Angebot von digitalen Spielen, das es mittlerweile auf dem Markt gibt und das in dieser Handreichung anhand von vier Spielen mit Unterrichtskonzepten vorgestellt wird, erleichtert es, diese Bedenken auszuräumen und im Gegenzug die Bereitschaft zu erhöhen, Spiele im Unterricht auszuprobieren. Der Einsatz von digitalen Spielen ist eine lohnende Ergänzung im Geschichtsunterricht. Er ist nicht als Ersatz für andere Lernformen misszuverstehen und sollte kombiniert werden mit zusätzlichen Lernmaterialien und der Quellenarbeit mit Originalquellen. Spiele bieten dann als eigenes Medium und als eine neue und lebensweltnahe historische Form der Geschichtsvermittlung eine innovative Bereicherung für den Unterricht.
Zielsetzung
Mit dieser Handreichung für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende soll der Einstieg in den Einsatz von digitalen Spielen im Unterricht mittels niedrigschwelliger Beispiele erleichtert werden. Das Konzept baut auf Vorarbeiten der letzten Jahre auf (Preisinger 2022, Pfister u.a. 2023, Pfister/Winnerling 2020, Lenz/Nolden 2022, Stiftung Digitale Spielekultur 2021/2022) auf deren Handreichungen ebenfalls verwiesen wird. Die praktischen Ausführungen basieren auf Lehrkräftefortbildungen und Erprobungen im Geschichtsunterricht und der Lehramtsausbildung, die mit Patrick Heike, Lehrer am Artland-Gymnasium Quakenbrück sowie mit Studierenden der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zwischen den Wintersemestern 2021 und 2024 durchgeführt wurden (GameLab UOL).
Das vorliegende Konzept wurde für den Geschichtsunterrichts entwickelt. Die praktischen Hinweise lassen sich aber ebenso auf andere Fächer anwenden oder im Rahmen von fächerübergreifendem Projektunterricht oder freien Modulen wie an integrierten Gesamtschulen (IGS) und auch mit anderen Fächern wie Ethik bzw. Werte und Normen, Deutsch oder Musik und entsprechend angepassten Fragestellungen kombinieren. Neben dem Gymnasium wurden die Arbeitsaufträge auch an Integrierten Gesamtschulen getestet. Das Konzept soll insgesamt die Bereitschaft erhöhen, den Einsatz von Games nachhaltig im Schulalltag zu integrieren. Der Einsatz der Materialien kann variiert, kombiniert und auf die jeweiligen Klassen angepasst werden. Die Arbeitsaufträge verstehen sich als Vorschläge.
Handreichung zum praktischen Einsatz von digitalen Spielen in der historisch-politischen Bildung am Beispiel von Games auf dem Tablet
Handreichung Download (PDF, 780 KB)Nützliche Links
Datenbank „Games und Erinnerungskultur“: https://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/games-erinnerungskultur
Datenbank des NRW-Spieleratgebers: https://www.spieleratgeber-nrw.de
Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung: http://spielbar.de
Übersicht des GameLab der Universität Wien: https://padlet.com/alexander_preisinger/gamelab-il5fpsstte5jizgr
Spieledatenbank des Zentrums für didaktische Computerspielforschung: https://zfdc.ph-freiburg.de/spieledatenbank
Für einen guten thematischen Einstieg bietet die Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele https://www.bpb.de/lernen/games
Für einen niedrigschwelligen, kurzweiligen Einstieg bietet Arte:https://www.arte.tv/de/videos/RC-014296/art-of-gaming
Podcast-Tipp: Das spielende Klassenzimmer – Podcast über Spielen und Lernen: https://das-spielende-klassenzimmer.de/
Literatur
Agentur für Bildung, Geschichte und Politik (Hrsg.). LaG-Magazin (Lernen aus der Geschichte). Erinnern in digitalen Spielen, Berlin: Agentur für Bildung, 2023. https://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/Magazin/15619.
Assmann, Aleida. Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: C.H.Beck, 2018, 15.
Behnke, Daniel. „Lernen mit digitalen Spielen im Unterricht (Digitale Spiele).“ In Dossier Digitale Spiele, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, 28.03.2022. https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele/504550/lernen-mit-digitalen-spielen-im-unterricht.
Brandenburg, Aurelia u.a. (Hrsg). Verspielte Vergangenheit. Texte aus sieben Jahren AKGWDS. Glückstadt: vwh, 2023.
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Dossier Digitale Spiele. https://www.bpb.de/themen/kultur/digitale-spiele.
Farber, Matthew. „Why Serious Games Are Not Chocolate-Covered Broccoli (Game-Based Learning)” Edutopia, 19. Februar 2014. https://www.edutopia.org/blog/serious-games-not-chocolate-broccoli-matthew-farber.
Game – Verband der deutschen Games-Branche e.V. (Hrsg.). Jahresreport der deutschen Games-Branche 2023. https://www.game.de/publikationen/jahresreport-2023.
Göbel, Stefan. „Serious Games.“ In Handbuch Gameskultur, herausgegeben von Olaf Zimmermann und Felix Falk, 105–109. Berlin: Deutscher Kulturrat, 2020.
Haasis, Lucas. „Serious Games in der Schule.“ In LaG-Magazin (Lernen aus der Geschichte). Erinnern in digitalen Spielen, herausgegeben von der Agentur für Bildung, Geschichte und Politik, 55–58. Berlin: Agentur für Bildung, 2023. https://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/15612.
Imhof, Werner. „Oral History Chancen, Grenzen, Praxis“ In Dossier Lernen. Geschichte begreifen. Oral History, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, 13. November 2008. https://www.bpb.de/lernen/historisch-politische-bildung/geschichte-begreifen/42324/oral-history.
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Lehrplan Bayern: LehrplanPLUS, herausgegeben vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB): Realschule G9: LB2 (Imperialismus und Erster Weltkrieg), G10: LB7 (Geschichtskultur – wie wir mit Geschichte umgehen); Gymnasium: G8: LB6 (Imperialismus und Erster Weltkrieg), G9: LB2 (Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust). Stand: aktuell. Sämtliche Lehrpläne können über die Homepages des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) (https://www.lehrplanplus.bayern.de) heruntergeladen werden.
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Widmann, Tabea. The Game is the Memory. Prosthetic Witnessing in digitalen Spielen als Erinnerungsmedium um den Holocaust. Göttingen: V&R unipress, 2023.
Zimmermann, Felix. Virtuelle Wirklichkeiten. Atmosphärisches Vergangenheitserleben im Digitalen Spiel. Marburg: Büchner, 2023.
Zimmermann, Felix. „Digitale Spiele in der historisch-politischen Bildung. Zwischen Unterhaltungsspielen und Serious Games.“ In LaG-Magazin (Lernen aus der Geschichte). Erinnern in digitalen Spielen, herausgegeben von der Agentur für Bildung, Geschichte und Politik, 10–19. Berlin: Agentur für Bildung, 2023. https://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/15607.
Zimmermann, Olaf/Falk, Felix (Hrsg.). Handbuch Gameskultur. Berlin: Deutscher Kulturrat, 2020. https://www.kulturrat.de/publikationen/handbuch-gameskultur