Einführung in die Nutzung von Twine im Geschichtsunterricht

Nils Sommer
Veröffentlicht am 15. Oktober 2024

Geschichtliche Inhalte mit Twine vermitteln

Twine ist ein kostenfreies Programm, mit dem interaktive Geschichten erstellt werden können und hat die Stärke, so historische Entscheidungen zu simulieren. Dies hilft Schüler*innen, die Komplexität historischer Ereignisse und deren Auswirkungen zu verstehen.

  1. Recherche und Quellen: Die Nutzung von interaktiver Fiktion im historischen Kontext, dem “Was wäre wenn?” des Geschichtsunterrichtes, erlaubt Twine die motivierte Recherche zu einem Thema – es sind nicht nur Fakten, die auswendig gelernt werden sondern die Motivation für das eigene Projekt. Sie generieren authentische Szenarien und üben so den sorgsamen Umgang mit Ausgangsmaterialien.
  2. Szenarien entwickeln: Es kann sein, dass Schüler*innen mit der weiten Aufgabenstellung überfordert sind, weil es zu viele Auswahlmöglichkeiten gibt – hier hilft es, ein klares Startszenario vorzugeben. Beispiele: “Der Versailler Vertrag – unterzeichnen oder nicht?” oder “Beginnt eure Geschichte mit einer einzelnen Person der Industrialisierung, die wir im Unterricht bereits begonnen haben und überlegt deren drei wichtigste Handlungen und Konsequenzen für die Geschichte”
  3. Konsequenzen besprechen: Die möglichen Konsequenzen der Handlungen sollten immer auf Augenhöhe besprochen werden; oft ist es das erste Mal, dass sich Teilnehmende mit diesem Kontext auseinandersetzen. Je nach historischen Kontext ist es wichtig, Teilnehmenden zu vermitteln, dass sie Nichts falsch machen können, solange sie das Grundmaterial mit Respekt und Würde behandeln, wenn es z.B. um Themen wie Nationalsozialismus, Faschismus oder Ähnliches geht.

Gerade der Faktor der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten ist ein unfassbar gutes Tool um sich nicht nur aktiv mit der Geschichte, mit Emotionen und mit nachvollziehbaren Handlungen auseinanderzusetzen sondern sich diese Fakten auch umgehend einzuprägen und in einen Kontext zu setzen. Genauso hilfreich und dringend ist es aber auch, dass das Projekt in einem engen, zeitlichen Rahmen umgesetzt wird und immer die historischen Geschehnisse verwendet – durch die intensive Auseinandersetzung auf kognitiver, aber auch kreativer und oft persönlicher Ebene können sich im schlimmsten Falle falsche Fakten einprägen.

Kurz gesagt: Eine erstellte Geschichte sollte gut genug auf den vorhandenen Fakten basieren, dass die Geschichte im besten Falle genauso hätte passiert sein können.

Twine ermöglicht Lehrkräften historische Inhalte kreativ und dynamisch zu vermitteln und Schüler*innen dabei die Wahl zu lassen, wie sie einen authentischen Lernbeitrag erbringen können – durch die technische Umsetzung, die Qualität der Geschichte und akkurate Recherche.

Für manche Klassenverbände kann das Nutzen von Twine zu abstrakt sein – es besitzt im Vergleich zu anderen Game-Engines keinen grafischen Output, keine sich bewegenden Charaktere. Hier kann es sinnvoll sein direkt mit den gleich angewiesenen technischen Möglichkeiten zu starten, die Teilnehmenden selbst in die Auseinandersetzung mit Twine treten zu lassen und anschließend auf das geschichtliche Thema zu lenken.

Beispielhafte Aufgabenstellung: Nachdem ihr euch 5 Minuten frei mit Twine beschäftigt habt, versucht herauszufinden wie ihr den aufmerksamkeits-generierendsten Text erstellen könnt.

Im folgenden schauen wir nun, wie wir das Medium Twine in vier Beispiels-Unterrichtseinheiten realisieren können.

1. Was ist Twine?

Twine ist ein Programm um interaktive Geschichten zu erzählen, ähnlich den Abenteuerbüchern der 80er und 90er können Lesende hier entscheiden, wie die Geschichte weitergeht – die Geschichte zweigt sich also immer weiter ab. Hier können historische Szenarien simuliert werden, aber auch emotionale oder moralische Fragen aufgearbeitet werden, da durch die verzweigte Geschichte beide Seiten beleuchtet werden.

Die “Passagen” der Geschichte werden hier also miteinander verbunden und ermöglichen auch den Einsatz von einfachen spiel-mechanischen Entscheidungen.

2. Nutzung von Twine

Twine kann problemlos und datenschutzkonform via Browser-Anwendung oder via Download genutzt werden. Es ist auf twinery.org zu finden.

3. Erste Schritte mit Twine

  1. Twine starten: Twinery.org öffnen und auf „Use in Browser“ klicken
  2. Neue Geschichte erstellen: Klicken Sie auf „+ Neu“ um ein neues Projekt zu starten.
  3. Titel vergeben: Geben Sie Ihrer Geschichte einen Titel und bestätigen sie mit “Erstellen”.
  4. Passagen erstellen: Eine neue, leere Passage wird automatisch erstellt. Sie können diese Passage anklicken, um Text hinzuzufügen.

Bei der Nutzung im Browser ist darauf zu achten, dass die erstellten Texte regelmäßig abgespeichert werden. Dies geht über das Menü->Build->Datei als Text veröffentlichen

4. Die Geschichte interaktiv machen

Um die Geschichte interaktiv zu machen nutzen wir verlinkte Passagen – jede Passage repräsentiert einen Teil der Geschichte, die nach Entscheidung der Lesenden besucht werden kann.

  • Neue Passagen: Nutzen Sie die doppelte eckige Klammer [[]] um eine neue Passage anzubieten – wenn Lesende bei der Anwendung auf den Inhalt, z.B. [[Gehe in den Keller]], klicken kommen sie zur entsprechenden, gleichnamigen Passage.
  1. Verlinkte Erzählstränge: Je Passage sollte es mehr als eine Entscheidung geben – sonst hätte es auch ein zusammenhängender Text sein können. Beispiel:
    • [[Gehe in den Keller]]
    • [[Gehe auf den Dachboden]]
  2. Enden: Die Geschichte hat im besten Falle mehrere Enden, hier können auch mehrere Erzählstränge zu den gleichen Enden führen. Es ist wichtig den Lesenden klar zu machen, dass sie das Ende der Geschichte erreicht haben und den Teilnehmenden, dass sie sich eine umsetzbare Geschichte zurechtlegen. Es ist nicht funktional, wenn die Teilnehmenden durch zu große oder zu kleine Geschichten viel zu früh oder gar nicht mit ihrem Projekt fertig werden. Eine Geschichte, in der jedes Kapitel auch nur zwei Abzweigungen hat, ist nach drei solcher Entscheidungen bereits bei fünfzehn Kapiteln.

Beispielhafte zeitliche Aufteilung für vier Unterrichtseinheiten.

  1. Wahl und Recherche einer Thematik
  2. Beenden der Recherche und Umsetzung einer analogen Version von Twine mittels Mindmap oder Karteikarten
  3. Technische Umsetzung Twine
  4. Ausbesserung der Texte

Technische Möglichkeiten

Twine besitzt außerhalb der doppelten Klammerfunktion weitere technische Möglichkeiten, die sie in diesem Dokument für Fortgeschrittene finden. Die Implementation bedarf teilweise, dass Code auf einzelnen Passagen der Geschichte wiederholt wird, da dieser von Anfang bis Ende ausgelesen wird – ist ein zentraler Teil der Mechaniken in der ersten Passage zu finden, muss die Geschichte auch in der ersten Passage starten.

Hier finden sie einige Beispiele in variierender Komplexität, die den Teilnehmenden unabhängig des Interesses zumindest vorgestellt werden sollten – oft schafft es der technische Anreiz bereits für Twine zu begeistern.

Es empfiehlt sich, dass sich die Lehrperson bereits ein Grundverständnis von Twine erarbeitet hat. Wenn dabei eine Geschichte entstanden ist, kann diese den Schüler*innen zudem als Beispiel gezeigt werden.