Spielcover: Wolfenstein: The Old Blood

Wolfenstein: The Old Blood

Im alternativhistorischen Setting des Ego-Shooters Wolfenstein: The Old Blood müssen die Spieler*innen als Widerstandskämpfer B.J. Blazkowicz den Sieg des NS-Regimes über die Alliierten Streitkräfte verhindern, indem sie aus der reihennamensgebenden Burg Wolfenstein entscheidende Informationen beschaffen. Dabei setzt das Spiel wie auch die anderen Titel der Serie den Fokus des Spielgeschehens genretypisch auf gewaltsam zu lösende Konflikte und satirische Elemente.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: MachineGames (Schweden)
  • Publisher: Bethesda Softworks
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Genre: Shooter
  • Thema: Nationalsozialistische Herrschaft, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Gering
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

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Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Christian Günther

Christian Günther forscht und lehrt zu Digital History. Er arbeitet an einer Dissertation zu digitaler virtueller Realität in Gedenkstätten.

In Wolfenstein: The Old Blood wird die Vorgeschichte zu den Ereignissen des 2014 erschienenen Wolfenstein: The New Order erzählt. Angesiedelt in einem alternativgeschichtlichen Weltentwurf, schlüpft man 1946 in die Rolle des US-Soldaten William J. Blazkowicz. Die Alliierten stehen kurz davor, den Krieg zu verlieren. Blazkowiczs Mission, einen geheimen Stützpunkt des nationalsozialistischen Regimes zu infiltrieren, könnte aber die entscheidende Wendung im Krieg herbeiführen. Im Verlauf der Handlung löst die Hauptantagonistin auf der Suche nach okkultem Wissen ein Erdbeben aus, wodurch ein Gas freigesetzt wird, welches nahezu sämtliche Gegner in zombieähnliche Mutanten verwandelt. Wie auch sein Vorgänger verbindet der Shooter humoristische Elemente mit expliziter Gewaltdarstellung. Durch die im Vergleich kürzere Spielzeit von etwa acht Stunden, treten erzählerische Momente allerdings in den Hintergrund. Der Fokus des Titels liegt deutlicher auf schneller Bewegung und Feuergefechten. Auch bei diesem Titel existieren zwei Verkaufsversionen. In der deutschen Fassung fehlen Abbildungen von Symbolen des nationalsozialistischen Regimes.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

The Old Blood fällt deutlich hinter die Vorgänger der Wolfenstein-Serie zurück. Es bedient sich sowohl bereits etablierter Mechaniken, als auch bereits erprobter narrativer Elemente, wie der Zombie-Nazisploitation aus dem 2001 erschienen Return to Castle Wolfenstein. Die im Gefängnis der Burg Wolfenstein zu sehenden, teils auch nur zu hörenden brutalen Folterszenen können zwar als Verweis auf Gräueltaten in Konzentrationslagern und anderen Orten der nationalsozialistischen Massengewalt verstanden werden, explizit wird darauf allerdings nicht verwiesen. Von erinnerungskultureller Bedeutung sind darüber hinaus Nebencharaktere wie Annette Krause und Ludwig Kessler, auf die Protagonist Blazkowicz im Lauf des Spiels trifft und die als Mitglieder eines alternativgeschichtlichen Kreisauer Kreises Widerstand gegen das Regime leisten. Die Figur Annette Krause ist durch ihr Erscheinungsbild und durch auffindbare Objekte, wie Tagebucheinträge und Briefe, zudem deutlich an Anne Frank angelehnt. Auffindbare Flugblätter und eine kurze Erzählung deuten weiterhin an, dass Ludwig Kessler ebenfalls Mitglied der Widerstandsgruppe der Weißen Rose ist.

Diskussionspunkte

Wolfenstein: The Old Blood besteht aus zwei Episoden, die unterschiedliche Ansatzpunkte für Diskussionen über die spielerische Darstellung des Nationalsozialismus liefern können. Die erste Episode („Rudi Jäger und die Höhle der Wölfe“) ist in der Burg Wolfenstein in den bayrischen Alpen angesiedelt. Zwar ließe sich auch hier über die ersetzte NS-Symbolik und exzessive Gewaltdarstellung sowie die stereotype Darstellung von NS-Tätern als sadistisch und pervertiert sprechen, doch ist The New Order dafür wesentlich besser geeignet. Für fruchtbarer halte ich eine Diskussion über die Wirkmächtigkeit von Propaganda – hier am Topos der Alpenfestung – und deren Verarbeitung, welche sich auch an Spielfilmen wie „Where Eagles Dare“ (1968) oder „Captain America – The First Avenger“ (2011) orientiert. Daran anknüpfend ließe sich anhand der zweiten Episode („Die dunklen Geheimnisse der Helga von Schabbs“) aufzeigen, wie Heinrich Himmlers Interesse an Okkultismus , das ja ebenfalls schon in Spielfilmen (etwa die „Indiana Jones“-Reihe, auf die im Spiel auch referenziert wird) aufgegriffen wurde, in ein narratives Konzept eingebettet wird und damit eine spezifische, hier nur skizzierbare Funktion erfüllt: Nazis werden in Wolfenstein per se bereits als unmenschlich repräsentiert. Nazi-Zombies übersteigern diese Entmenschlichung und schaffen einen noch einfacheren moralischen Rahmen, in dem es ein eindeutig Böses gibt, das es auszulöschen gilt. Die hergestellten Bezüge zum Kreisauer Kreis und zur Weißen Rose ließen sich insofern in eine Diskussion einbetten, als dass man deren Darstellung im Spiel aufgreift und problematisiert.

Einsatzmöglichkeiten

Nicht nur das hohe Spieltempo, welches selten von handlungsentlasteten Momenten durchbrochen wird, und die Gewaltdarstellung, sondern auch die Altersbeschränkung und Spielzeit erschweren den Einsatz als pädagogisches Instrument. Für die Arbeit mit jüngeren Zielgruppen ist Wolfenstein: The Old Blood deswegen nicht geeignet. Wenn nicht auf die Präsentation von expliziteren Gewaltszenen verzichtet werden kann, so sollte diese kontextualisiert und begleitet werden. Videos und gewaltfreie Abschnitte lassen sich aber nutzen, um die hier dargestellten Stereotypen und Narrative aufzugreifen und zur Diskussion zu stellen. Einzelne Spielszenen etwa, in denen die Charaktere Annette Krause und Ludwig Kessler auftreten, eignen sich als Ausgangspunkt für eine Diskussion über Formen und Ausprägungen von Widerstandshandlungen gegen das Regime.


Weiterführendes Material

Brandenburg, Aurelia; Inderst, Rudolf und Wagner, Pascal. „Eva auf Wiedersehen!“ Zur Geschichte, Verhandlung und Einordnung der Wolfenstein-Spielereihe, Glückstadt: Fachverlag Werner Hülsbusch, 2021.

Buttsworth, Sara; Abbenhuis, Maartje: Monsters in the Mirror – Representations of Nazism in Post-War Popular Culture, Praeger, 2010.

Florian Evers: Vexierbilder des Holocaust. Ein Versuch zum historischen Trauma in der Populärkultur, Münster, Berlin, Wien, Zürich, London: LIT 2011.

Kingsepp, Eva: “Ethics in World War II First Person Shooter Games”, S. 303-323, in Malliet, Steven & Poels, Karolien (Hg.) Vice City Virtue: Moral Issues in Digital Game Play, Leuven und Den Haag, 2011.

Pfister, Eugen, Das Unspielbare spielen – Imaginationen des Holocaust in Digitalen Spielen, in Zeitgeschichte 4 (2016), S. 250-263.

Zimmermann, Olaf; Falk, Felix: Handbuch Gameskultur, Berlin 2020.

Zitierempfehlung

Günther, Christian. „Wolfenstein: The Old Blood“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. URL, zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus gefördert.