Spielecover: 20. Wolfenstein - The New Order

Wolfenstein: The New Order

Als Ego-Shooter Wolfenstein: The New Order kämpfen die Spieler*innen als B.J. Blazkowicz gegen das NS-Regime, das in diesem alternativhistorischen Spielsetting den 2. Weltkrieg gewonnen hat und nun als „das Regime“ die Welt dominiert. Neben dem satirischen Tenor der Handlung zeichnet sich Wolfenstein: The New Order ebenso durch eine explizite Thematisierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik aus.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: MachineGames (Schweden)
  • Publisher: Bethesda Softworks
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Genre: Adventure, Shooter
  • Thema: Holocaust, Nationalsozialistische Herrschaft, Politische Radikalisierung, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Peter Färberböck

Peter Färberböck arbeitet zu Hexerei und Magie in digitalen Spielen sowie der dort sichtbaren Gender-Darstellung. Er beschäftigt sich mit dem Themenfeld Selbstzensur im Medium.

Wolfenstein: The New Order führt eine triste Alternativgeschichte ein: Die Nazis haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen und nahezu die ganze Welt eingenommen. Einige historische Ereignisse passierten nie, andere sind verdreht. In der Rolle des US-Soldaten William J. Blazkowicz kämpfen die Spieler*innen aus der Ich-Perspektive gegen das Regime. Der Widerstand muss gegen das grausame Regime gewinnen. Dieser muss jedoch erst aufgebaut werden. Die Trostlosigkeit soll der Hoffnung weichen. Wolfenstein ist ein klassischer Shooter, der eine dichte Geschichte erzählt.

Es trifft Exploitation und Satire auf ein alternativgeschichtliches Szenario: brutal, überzeichnet und die Grausamkeiten des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs werden in einzigartiger Weise dargestellt. Selbst ein Konzentrationslager wird in einer fiktiven Zukunftsversion gezeigt. Sofern man die unzensierte englische Version spielt. Mittels Selbstzensur wurden Nazis, Symbole und einzelne andere Begriffe in der deutschen Version herausgeschnitten.

Video-Kurzreview

Erinnerungskulturelle Bedeutung

The New Order ist bis heute ein Meilenstein in der Darstellung des NS-Regimes in digitalen Spielen. Ungeschönt wurden die Vernichtungspolitik und das Grauen erstaunlich atmosphärisch gezeigt. Zusätzlich lässt sich anhand der deutschen Version die Gefahr von Selbstzensur eindrücklich zeigen.

Wolfenstein geht auf die frühen 1980er zurück und setzte bereits mit Wolfenstein 3D Maßstäbe in technischer Natur und in Hinsicht auf Tabubrüche. Beschlagnahmungen, Zensur und die Indizierung waren schon damals Reaktionen auf die Reihe. 2014 wurde sie mit The New Order neu aufgelegt und die Geschichte stärker ins Zentrum gerückt. Seither gab es noch drei weitere Spiele zu diesem Universum.

Hervorzuheben ist die Mischung aus Satire, Alternativgeschichte und Exploitation, die das NS-Regime besonders grausam und schonungslos darstellt. Gegenüber anderen Spielen, die sich Deutschland im Zweiten Weltkrieg widmen, ist es deswegen auch in der gezeigten Brutalität ein Sonderfall. Kriegsverbrechen und Verbrechen der Menschlichkeit werden nicht ausgespart. In der unzensierten Version ist The New Order eine bittere Satire, die trotz der simplen Shooter-Mechanik sehr tief in das Grauen einer fiktiven Nazi-Weltherrschaft blickt. Vergleiche zwischen zensierter und unzensierter Version scheinen lohnenswert.

Diskussionspunkte

Man könnte Wolfenstein: The New Order als Quelle für eine Vielzahl an Debatten sehen. Der Spielekritik gingen einige satirische Elemente zu weit: Wie stark darf man das NS-Regime ins Lächerliche ziehen? Dazu kommt, dass in Shootern und im Speziellen in der Wolfenstein-Serie die Debatte über Gewalt in Spielen stets mitschwingt. Wie wirkt diese exzessive Gewalt?
Diesen langjährigen Debatten sind bei The New Order aber nur Nebensache. Die Selbstzensur ist der auffälligste Diskussionspunkt. Die Zensur der Symbolik ist dabei fast weniger interessant. Die Symbol-Euphemismen sind ohnehin durch die Farbgebung und die klare Ästhetik des NS-Regimes sehr einfach dechiffrierbar.

Vielmehr sind es die Auslassungen oder die Elemente, die dann doch im Spiel sein dürfen, die hier das Potenzial für Diskussion und Empörung sind. Die jüdische Bevölkerung existiert in The New Order nicht. Das bringt den Weltkriegs-Shooter um einen besonderen Kniff: Die Nazis sind nur zur Weltherrschaft gekommen, weil sie jüdische Forscher*innen ausnutzten bzw. kabbalistische Technologie verwendeten. Diese starke Aussage, dass das systematische Töten eigentlich den eigenen Ruin bedeutet, fehlt dann.

Wolfenstein nutzt auch Stereotype bis ins Extreme, die stellvertretend für viele digitale Spiele diskutiert werden können.

Einsatzmöglichkeiten

Bei Wolfenstein: The New Order ist für Spielungen die Altersbeschränkung ein Hindernis. Einzelne, gewaltfreie Ausschnitte könnten als Video gezeigt werden. Die Spielzeit von ungefähr zwölf Stunden legt ebenso Videos oder kurze Spielsitzungen nahe.

Für die Medienkompetenz bietet sich der Shooter hervorragend an. Da die unzensierte Version nun auch als sozialadäquat eingestuft wird, kann man hier die Auswirkung von Selbstzensur zeigen. Die möglichen Verfälschungen durch Euphemismen oder Auslassungen zeigen, wie schwer es ist, Tabus wie den Holocaust in digitalen Spielen zu umgehen, und welche Gefahren hier entstehen. Außerdem ist Wolfenstein ein Beispiel für die Wirkung von Klischees.

Neben der Medienkompetenz ist deswegen auch die bewusste Darstellung des NS-Regimes ein Punkt, der hier betrachtet werden kann. Das Zeigen der Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik hat eine große Wirkung. Die Satire kontrastiert den Themenkomplex.

Die drastischen Darstellungen müssen jedoch unbedingt kontextualisiert und pädagogisch begleitet werden. Selbst ohne Gewaltdarstellungen wird das NS-Regime bewusst mächtig dargestellt. Hier kann es sonst zur Ästhetisierung kommen. The New Order ist etwas älter und ist somit auch auf älteren Geräten oder Laptops gut spielbar.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Färberböck, Peter. „Wolfenstein: The New Order“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 24.06.2021 [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum].

Förderer

Dieser Beitrag wurde finanziert durch Fördermittel der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).