This War of Mine
Im Survival-Strategiespiel This War of Mine übernehmen die Spieler*innen die Steuerung von verschiedenen Zivilist*innen in den Trümmern einer fiktiven belagerten Stadt und versuchen, u.a. der winterlichen Kälte und nächtlichen Überfällen trotzend, deren Überleben zu sichern. Das Spiel thematisiert dabei die psychische Zermürbung der Charaktere, ihre Ängste und nicht zuletzt die Reflexion der eigenen (un-)moralischen Handlungen.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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Im Survival-Strategiespiel This War of Mine übernehmen die Spielenden die Steuerung von verschiedenen Zivilist*innen in den Trümmern einer fiktiven belagerten Stadt. Ziel des Spieles ist es, das Überleben der Zivilist*innen bis zu einem zeitlich zufällig generierten Waffenstillstand der unsichtbaren feindlichen Armeen zu sichern. Dazu können die gesteuerten Charaktere in den Trümmern der Ruine, in der sie gemeinsam Zuflucht gesucht haben, sowie auf nächtlichen Plünderungs-Streifzügen in der Nachbarschaft nach Essbarem sowie Rohstoffen bzw. Baumaterialien suchen. Mit diesen werden tagsüber überlebensnotwendige (Einrichtungs-)Gegenstände sowie Waffen hergestellt. Gleichzeitig gilt es, das eigene Haus zu verteidigen, die wenigen Besitztümer zu schützen und die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Charakteren zu stabilisieren. Gefahren drohen durch bewaffnete Nicht-Spieler-Charaktere und Verletzungen sowie durch Krankheiten und winterliche Kälte. Genauso bedrohlich zermürben Auseinandersetzungen zwischen den Bewohner*innen, die andauernde lebensbedrohliche Lage sowie insbesondere die eigenen (un-)moralischen Handlungen und deren Konsequenzen die Psyche der steuerbaren Charaktere.
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
This War of Mine stellt einen wichtigen Impuls dar, eine kulturgeschichtliche Darstellungstradition von Krieg in digitalen Spielen zu durchbrechen und neue, erinnerungskulturell höchst bedeutungsvolle Perspektiven zu eröffnen. Sowohl mit dem Blick auf Zivilist*innen in den Randzonen von kriegerischen Konflikten als auch mit der historischen Orientierung an Kriegserfahrungen während der Belagerung von Sarajevo löst sich das Spiel von dem dominierenden Genre des First-Person Shooters in Weltkriegszenarien, an welchen Spieler*innen zumeist aus der Perspektive eines Soldaten teilhaben. Darüber hinaus ist auch das strategische Moment des Spiels nicht auf Raumdominanz oder Materialschlachten ausgerichtet, die die Spieler*innen als nahezu allmächtige Befehlsgewalt inszenieren. Vielmehr forciert This War of Mine den strategischen Einsatz von Ressourcen in Kooperation der einzelnen Charaktere, um deren physische wie auch psychische Bedürfnisse zu erfüllen. Als selbstproklamiertes Anti-Kriegsspiel lässt sich das Spiel daher in einen wachsenden Diskurs wie Spielekorpus einordnen, worin weniger die Auseinandersetzung mit einem Gegner, sondern die umfassende Zerstörung menschlicher Lebenswelten sowie die Erfahrung von Mangel und Bedrohung durch (historische) Kriege im Fokus stehen.
Diskussionspunkte
Anstelle der aufgeladenen Narration von soldatischem Heldentum thematisiert This War of Mine die Erfahrung von Kriegen, wie sie historisch für die Mehrheit der betroffenen Bevölkerungen erfahrbar war bzw. höchst aktuell in Kriegsgebieten nach wie vor ist: Die Ausrichtung auf zivile Opfer von kriegerischer Gewalt und Zerstörung öffnet den Blick auf bisher wenig thematisierte Schicksale in der liminalen Sphäre zwischen moralischem Verhalten und Solidarität gegenüber Angst, Ressourcenknappheit und dem Ringen um das eigene Überleben. Die Spieler*innen sehen sich gerade mit der ethisch-politischen Bedeutung der eigenen Handlungen konfrontiert, die sich vor der Inszenierung einer Kriegszone als unkontrollierbarem Raum materiellen wie emotionalen Mangels entfalten. Kontrollverlust anstelle von Entscheidungsmacht spiegelt sich auch in der Spielmechanik wider: Je zerrütteter die gesteuerten Charaktere sich psychisch und physisch fühlen, desto unwilliger reagieren sie auf die Befehle der Spieler*innen. Das gelegentliche Unterbrechen von Handlungen mündet mitunter in der vollkommenen Apathie der Charaktere. Die Erfahrung von Mangel und Machtlosigkeit wird durch den Mangel an Handlungsoptionen sowie die Erfahrung von Kontrollverlust als Spieler*in ebenso auf spielmechanischer Ebene thematisiert.
Einsatzmöglichkeiten
This War of Mine kann vielfältig in diversen pädagogische Kontexten angewendet werden. Mit seinem Fokus auf zivile Schicksale und die Erfahrung von Kontrollverlust sowie gerade auch psychischen Traumata erzeugt das Spiel Narrative und Eindrücke, die im Kontrast zu bereits etablierten Darstellungsschemata von Kriegen in digitalen Spielen stehen. Es kann damit als bewusstes Gegenmoment eingesetzt werden, solche kulturgeschichtlichen Schemata und Stereotypisierungen zu hinterfragen. Die Herausforderung von Handlungsbeschränkungen bzw. die Konfrontation mit ethischen Dilemmata (‚humanes‘ Handeln vs. Überlebenssicherung) könnten dabei bereits über das Ansehen von Walkthroughs oder Let’s Plays nachvollzogen werden. Jedoch wirkt die Erfahrung der eigenen Handlungsverantwortlichkeit wie auch des Kontrollverlust am stärksten in der eigenen Spielerfahrung. Gerade letzterer eröffnet im aktiven Spielen die Möglichkeit, die vorherrschenden Mechaniken von digitalen Spielen im Allgemeinen zu hinterfragen: Die Konfrontation mit der eigenen, direkt erfahrenen Machtlosigkeit kann hierbei dazu dienen, allgemeine medienethische Fragestellungen von Dominanz und Macht für das Medium digitales Spiel zu thematisieren. Da This War of Mine auf diversen Endgeräten sowie -systemen gespielt werden kann, gestaltet sich der Zugriff vergleichsweise flexibel.
Weiterführendes Material
- Gieba, Kamila. „Territory of Agon. Civilian Perspective in a Besieged City in the Computer Game This War of Mine.“ In Future Human Image 12 (2019): S. 22-27.
- Kampe, Christopher. „Seven dimensions of feminist war game. What we can learn from This War of Mine.“ In Feminist War Games? Mechanisms of War, Feminist Values, And Interventional Games, herausgegeben von Jon Saklofske, Alyssa Arbuckle und Jon Bath. London & New York: Routledge, 2020.
- Pötzsch, Holger. „Positioning Players as Political Subjects: Forms of Estrangement and the Presentation of War in This War of Mine and Spec Ops: The Line.“ In War Games. Memory, Militarism and the Subject of Play, herausgegeben von Philip Hammond und Holger Pötzsch, 241-257. New York u.a.: Bloomsbury, 2020.
- Schellong, Marcel. „Weniger von wenig ist nicht mehr – ‚This War of Mine‘ und der Mangel an Wahlfreiheit“ (eine Rezension). In: Paidia. Zeitschrift für Computerspielforschung (2014). Zugriff am 11. Mai 2021.
Zitierempfehlung
Widmann, Tabea. „This War of Mine“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 24.06.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]