The Wolf Among Us

Im Point & Click-Adventure-Spiel The Wolf Among Us erhalten die Spieler*innen die Aufgabe, als Bigby Wolf die Morde innerhalb einer Gemeinde von Märchenfiguren und Fabelwesen aufzuklären, die in der fiktiven Community „Fabletown“ in New York City zusammenleben. Während der Ermittlungen treten wiederholt die Motive von Marginalisierung und Diaspora ins Zentrum der erspielten Geschichte.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Telltale Games (USA)
  • Publisher: Telltale Games
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Genre: Adventure
  • Thema: Flucht und Migration
  • Zugänglichkeit: Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Gering
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Gering
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Mathias Herrmann

Mathias Herrmann beschäftigt sich in Lehre und Forschung unter anderem mit Formen analogen und digitalen Spielens im Rahmen geschichtskultureller und geschichtsdidaktischer Betrachtungen.

The Wolf Among Us versetzt die Spieler*innen in die Rolle von Bigby Wolf, der im Jahr 1986 mehrere Mordfälle innerhalb der fiktionalen Enklave „Fabletown“ im New Yorker Stadtteil Manhattan aufklären soll. Der Charakter wird in Form eines Point-and-Click-Adventures innerhalb von fünf Spielepisoden durch mehrere Settings gesteuert und kann dabei mit Gegenständen und anderen Personen/Fabelwesen im Spiel interagieren, um die Geschichte voranzutreiben. An einigen Stellen der im grafischen Stil einer Graphic Novel präsentierten Erzählung stehen Entscheidungen im Mittelpunkt, die Details des Spielverlaufs ändern können, wobei eine Statistik am Ende jedes großen Kapitels die wesentlichen Ergebnisse zusammenfasst. Einmal getroffene Entscheidungen, die unter anderem auch einen Einfluss auf die spielinterne Wahrnehmbarkeit des Hauptcharakters Bigby haben können, werden ebenfalls in die anderen Episoden exportiert – The Wolf Among Us ist somit eher als interaktive Serie oder Comic zu verstehen.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Zwei wesentliche und an der Entwicklung des Spiels beteiligte Institutionen sind im Rahmen einer thematischen Annäherung zunächst vorzustellen: Der Verlag Vertigo, spezialisiert auf den Bereich der Graphic Novels, produzierte bis 2016/17 unter anderem die Reihe Fables, auf der The Wolf Among Us basiert. Darin werden Fabelwesen und andere Märchenfiguren aufgrund eines Krieges aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben und siedeln sich in New York an, wobei sie durch verschiedene Zauber und Artefakte die Gestalt von Menschen annehmen und so mit diesen koexistieren können. Der Publisher Telltale Games wiederum ist spezialisiert auf den Bereich narrativer, digitaler Spiele. Er produzierte unter anderem auf Serienlizenzen basierende Produkte wie Game of Thrones oder The Walking Dead, widmete sich aber auch comicbasierten Umsetzungen des Batman– oder Fables-Universums. Die genannten Titel weisen alle eine ähnliche Mechanik auf, die auf Click-and-Point sowie Entscheidungen der Spieler*innen beruht und dadurch zu mehrmaligem Durchspielen animieren soll. Aus der Idee des erzählerischen Rahmens (Comicvorlage Fables) ergibt sich – in Verbindung mit der Fokussierung auf einige konkrete Charaktere innerhalb des Computerspiels – die erinnerungskulturelle Relevanz, die vor allem das Leben in der modernen Großstadt, aber auch die Auswirkungen von Flucht und Vertreibung auf eine künstlerische und düstere Art und Weise erfahrbar macht.

Diskussionspunkte

Zunächst rückt das Motiv einer (auf Märchen basierenden und dadurch) „fremd“ wirkenden Diaspora innerhalb einer modernen Großstadt in den Vordergrund. So leben die Märchen- und Fabelwesen innerhalb New Yorks zwar in einer eigenen Gegend („Fabletown“) und haben eigene staatliche Institutionen geschaffen (Bürgermeister, Polizei etc.), sind aber dazu verpflichtet, sich äußerlich den „normalen“ Menschen anzupassen, um nicht aufzufallen. Gleichzeitig müssen sie sich den sozioökonomischen Rahmenbedingungen unterordnen, was sie dazu zwingt, unterschiedlichen Berufszweigen nachzugehen – seien sie legal oder illegal –, um überleben zu können. Hier hinein wirken nach Innen, aber auch Außen gerichtete Klischeevorstellungen und Ausgrenzungsmechanismen, die die Figuren im Einzelnen mehr oder weniger betreffen. So bekommt Bigby Wolf, als einstmals verstoßener Charakter, zu Beginn des Spiels die Möglichkeit, sich zu rehabilitieren, während es anderen jedoch nie gelingen wird, aus dem sozialen Milieu auszubrechen. Gerade die Abhängigkeit von magischem „Glamour“, um sich als Menschen zu tarnen, und die damit verbundenen Kosten, drängen einige Charaktere in eine prekäre Existenz. Das düstere Neo-Noir-Setting zeichnet in diesem Zusammenhang das Porträt einer fiktionalen, in breiten Teilen nicht integrierten Gesellschaft, die in kürzester Zeit ebenso korrupt und lebensfeindlich wurde wie die sie umgebende Realität.

 

Einsatzmöglichkeiten

Eine Nutzbarmachung für den Unterricht erweist sich aus mehreren Gründen als schwierig. Obwohl ein spielinternes Glossar existiert, das sich mit zunehmender Spielzeit vervollständigt, ergibt sich kein gänzlich umfassendes Bild der innerhalb New Yorks lebenden Gesellschaft von Märchen- und Fabelwesen. Erst in Verbindung mit den Comics lassen sich umfassende Rückschlüsse auf Flucht- und Vertreibungsprozesse ziehen, die zum Aufbau der „Parallelgesellschaft“ in „Fabletown“ führten. In Kombination ermöglichen beide Medien Zugänge zu Themen wie Bildung und Auswirkung so genannter „Townships“ oder „Banlieues“ auf moderne Großstädte oder kritische Betrachtungen marktwirtschaftlich orientierter Gesellschaften der Zeitgeschichte und die darin zu verortende Bedeutung der Migration. Innerhalb des Spiels können diese Bedeutungsebenen – auch aufgrund der teilweise actionreichen und rasanten Erzählweise – allerdings nur schwer identifiziert werden. Hinzu kommt die hohe Altersfreigabe von 18 Jahren (u. a. explizite Gewaltdarstellungen), weshalb sich eine Nutzung nur für Erwachsene anbietet. Technisch gesehen ist keine umfangreiche oder übermäßig leistungsstarke Ausstattung notwendig.

 


Weiterführendes Material

 

Zitierempfehlung

Herrmann, Mathias. „The Wolf Among Us“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 31.05.2022. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Migration Lab Germany aus Mitteln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.