Spielecover: Spirit Island

Spirit Island

Als Schutzgeister einer Insel müssen die Spieler*innen im Strategiespiel Spirit Islands kooperativ ihre an verschiedene Naturaspekte gebundenen Kräfte einsetzen, um die immer zahlreicheren Wellen an Kolonialist*innen von ihrer Insel zu vertreiben und diese somit vor der Zerstörung zu bewahren.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Handelabra Games Inc. (USA)
  • Publisher: Handelabra Games Inc.
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Genre: Strategy
  • Thema: Kolonialismus
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Hoch
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Markus Bassermann / Lukas Boch

Lukas Boch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Historische Theologie und Ihre Didaktik an der WWU Münster. Er ist Mitbegründer des Boardgame Historian, Teil vom Vorstand des AKGWDS sowie mitverantwortlich für Mittelalter.Digital. Markus Bassermann hat Soziologie und Geschichte in Hamburg und Oslo studiert. Im Themenkomplex der digitalen Geschichts- und Erinnerungskultur setzt er sich insbesondere mit den Schnittstellen zwischen Entwicklung und Anforderungen auseinander.

Im kooperativen Strategiespiel Spirit Island dreht sich alles um die Besiedelung der titelgebenden Insel: Spielende werden mitten in die Konfrontation zwischen land-nehmenden Invasoren und den insularen Schutzgeistern geworfen. In der Rolle letzterer haben sie zur Aufgabe, die Verödung der Insel zu verhindern, indem sie die Siedler mittels Terror und Gewalt ins Meer zurücktreiben. Damit dies gelingt, müssen sie im Spielverlauf ihre eigenen Fähigkeiten ausbauen und verstärken und diese durch konzertierte Aktionen möglichst effektiv zum Einsatz bringen. Für sein (anti-)koloniales Thema wurde das Spiel in einer fiktiven Version des 18. Jahrhunderts angesiedelt, dessen imperiale Großmächte an real-geschichtliche Imperien angelehnt sind und insofern wiedererkennbare Motive bei der Landnahme verfolgen. Bei der vorgestellten Version handelt es sich um die digitale Adaption des gleichnamigen Brettspiels von Designer R. Eric Reuss. Vom Original weicht sie lediglich in äußerlichen Aspekten (optionale 3D-Karte) und Komfortfunktionen (automatisierte Regeln) ab.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Durch seine bewusste, antikoloniale Akzentsetzung kann Spirit Island als Intervention in ein Medium betrachtet werden, das zwar wiederholt koloniale Thematiken (re-)produziert, sich damit aber bislang kaum kritisch auseinander gesetzt hat. Dies gilt für analoge wie digitale Spiele. Das gewählte fiktive Setting ermöglicht Spirit Island, sich ohne Bindung an real-geschichtliche Faktizität auf die Darstellung kolonialer Mechanismen zu konzentrieren. Im Vordergrund steht damit nicht die genaue Wiedergabe eines bestimmten historischen Phänomens, sondern die schlüssige Entwicklung kolonialer Logiken überhaupt. Analog hierzu dienen die dargestellten Invasoren, die sich alle an realgeschichtlich bekannte Nationen anlehnen, als Chiffren für die Interessen und Motive, die dem Siedlungskolonialismus zugrunde liegen.

Diskussionspunkte

Wie kann man mit dem kolonialen Erbe im Spiel umgehen? Die Vorschläge sind vielseitig und reichen von einer Nichtbehandlung kolonialer Themen in digitalen Spielen bis hin zu Forderungen, man solle stattdessen die schrecklichen Zustände wie den Sklavenhandel tatsächlich spielbar machen, um eine Reflexion bei den Spielenden anzuregen. Spirit Island wählt einen anderen Weg und ermöglicht es den Spielenden, in einer alternativen Geschichte eine die indigene Bevölkerung beschützende Rolle einzunehmen. Dabei ist die Rolle der Natives auch in Spirit Island weiterhin diskussionswürdig. Für die Geister, die die Spielenden repräsentieren, sind die Indigenen größtenteils Mittel zum Zweck. Es ist nicht möglich, dass diese selbst aktiv handeln. Abseits dieser Diskussion um die Rolle der indigene Bevölkerung, wäre auch ein dezidierter Vergleich zwischen der analogen und der digitalen Variante von Spirit Island denkbar und wie sich dabei bestimmte Erfahrungen, etwa durch Automatisierung oder Haptik, verändern.

Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz von Spirit Island im Unterricht muss wohl überlegt sein. Das Spiel selbst besitzt ein durchaus komplexes Regelwerk, was einen Einsatz im Unterricht nicht ohne Vorbereitung erlaubt. Hier kann die Automatisierung der digitalen Version die Arbeit erheblich erleichtern. Falls dieser Umstand beachtet wird, bietet sich Spirit Island allerdings im Anschluss an eine Themenreihe zu Kolonianismus an, um das Gelernte in einem anderen Kontext einzusetzen. Die Schüler:innen machen insofern eine Alteritätserfahrung, dass sie durch den Kampf gegen die eindringenden Invasoren den massiven Einfluss auf den ursprünglichen Lebensraum wahrnehmen. Einige Anpassungen von der analogen zur digitalen Version verändern jedoch auch die erlebte Spielerfahrung: So bestehen die analogen Spielsteine der Indigenen aus Holz und Pappe, während die Invasoren aus Plastik produziert wurden. Schon auf Ebene des Spielmaterials wird also ein fundamentaler Unterschied vermittelt. Großes Potenzial bietet zudem die Auseinandersetzung mit dem Entwicklertagebuch des Autors R. Eric Reuss, das Einblick in die Entstehung und die Motivation zulässt und frei zugänglich ist.


Weiterführendes Material

  • Mehr zu Brettspielen und Geschichte auf: www.boardgamehistorian.de
  • Bassermann, Markus. „Antikolonialer Widerstand und stumme Indigene: Vorstellung und Diskussion von Spirit Island“. Boardgame Historian. Zugegriffen 29. Oktober 2021.
  • Chapman, Adam. „Click to Colonise: Space, Power and History in Strategy Games (Part 1)“. Historical Games Network (blog), 16. November 2021.
  • Chapman, Adam. „Click to Colonise: Space, Power and History in Strategy Games (Part 2)“. Historical Games Network (blog), 18. November 2021.
  • Knäble, Philip. „Leere Inseln – Europäische Expansion im modernen Brettspiel.“ Boardgame Historian. Zugegriffen 29. Oktober 2021.
  • Lammes, Sybille, und Stephanie de Smale. „Hybridity, reflexivity & mapping: A collaborative ethnography of postcolonial gameplay“. Open Library of Humanities 4, Nr. 1 (2018): 1–31.
  • Mukherjee, Souvik. „Playing Subaltern: Video Games and Postcolonialism“. Games and Culture 13, Nr. 5 (1. Juli 2018): 504–20.
  • Reuss, R. Eric. „Designer Diary: Spirit Island, or Inverting the Colonization Trope | BoardGameGeek News“. BoardGameGeek. Zugegriffen 13. Juli 2021.

Zitierempfehlung

Bassermann, Markus; Boch, Lukas. Eintrag „Spirit Island“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus gefördert.