Irony Curtain: From Matryoshka with Love
Das Point&Click-Adventure-Spiel Irony Curtain: From Matryoshka with Love inszeniert satirisch eine Welt, die von einem pseudo-stalinistischen Regime dominiert wird. Als junger Journalist Evan Kovolsky versuchen die Spieler*innen als Herausgeber*innen einer unabhängigen Arbeiterzeitung diesem System zu trotzen.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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Das Point&Click-Adventure Irony Curtain: From Matryoshka with Love spielt in einer fiktiven Welt, die eine Mischung aus den 1960er-Jahren und der heutigen Zeit darstellt. Es bearbeitet satirisch einen übertriebenen Stalinismus. Im kleinen Land Matryoshka herrscht so ein stalinistisches Regime: ein überzeichnetes Abziehbild kommunistischer Kleinstaaten mit exzentrischen Diktatoren. Dabei hebt es nicht nur einseitig die Probleme des dort gelebten „Kommunismus“ hervor, sondern spricht auch kritisch die Welt des Kapitalismus an.
Im Stil eines Agentenfilms übernehmen die Spieler*innen die Rolle des jungen Journalisten Evan Kovolsky, der eine Art unabhängige Arbeiterzeitung herausgibt. In der fiktionalisierten USA mit einem Präsidenten, der sehr an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump erinnert, ist diese Form von Journalismus eine nicht gern gesehene, fast illegale Tätigkeit. Evan idealisiert einerseits den sozialistischen Staat Matryoshka und reflektiert andererseits die Probleme des Kapitalismus seiner Zeit.
Im Spiel werden genretypische Kombinations- sowie Logikrätsel gelöst, Gegenstände untersucht und Dialoge geführt.
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Irony Curtain nähert sich auf humoristische Weise postsowjetischen Failed States an. Es unterstreicht dabei, dass ein Scheitern nicht zwingend im politischen System zu verorten ist, sondern ebenso in äußeren Faktoren oder den diktatorischen Herrschern der Regimes. Ein bissiger Kommentar über den Ost-West-Konflikt ist das Resultat.
Die satirische Auseinandersetzung mit (post-)sowjetischen Staaten ist in digitalen Spielen noch eher selten zu finden – vor allem in Kombination mit einer deutlichen Kritik am westlichen Kapitalismus. Deutliche Parallelen zu Agentenfilmen dieser Zeit werden sichtbar. Irony Curtain stellt das autoritäre Regime nicht verharmlosend dar. Ästhetisch ist es eine sehr typisch abwertende Sowjet-Darstellung. Es wird jedoch auch darauf eingegangen, dass die politische Ideologie längst dem Kult eines mythischen „Anführers“ gewichen ist. Politische Gegner werden verfolgt und interniert.
Der Protagonist Evan Kovolsky hilft den revolutionären Truppen, den Diktator zu stürzen und vereint durch Gefangenschaft getrennte Familien. Er führt das hoffnungslose Regime zurück zu dessen politischen Idealen und zeigt, dass der Sozialismus oder Kommunismus nicht zum klischeehaften Feindbild stilisiert werden müssen. Irony Curtain betont dabei nachdrücklich, dass totalitäre Regimes das zentrale Problem sind und das Schwarz-Weiß-Denken des Kalten Kriegs überholt ist.
Diskussionspunkte
Die größte Diskrepanz in Irony Curtain erwächst aus der Gleichzeitigkeit von satirischer Darstellung einer maroden Diktatur und der zentralen Kritik an pauschalen Kategorien von „Gut“ und „Böse“. Diese Schere klafft teilweise massiv auseinander. Irony Curtain reproduziert fast alle Klischees und Stereotype, die in der Satire, in Agentenfilmen oder in westlicher Propaganda gegen kommunistische Parteien sichtbar waren. Damit wird ein einseitiger Diskurs oberflächlich weitergeführt.
Das Spiel ist über große Strecken humorvoll inszeniert, greift auf Slapstick-Elemente zurück und will nicht zu ernst auftreten. Die Botschaft des Spiels will jedoch – nicht untypisch für eine Satire – durchaus ernstgenommen werden. Der von Klischees und Stereotypen geprägte und meist sehr brachiale Humor, der ebenso unzählige Anspielungen auf andere Spiele des Genres beinhaltet, ist jedoch nicht für alle Spieler*innen ansprechend und kann abschreckend wirken.
Auf Ebene der Spielmechanik als Adventure fällt zudem negativ auf, dass Rätsel zwar eine der Kernelemente von Irony Curtain sind, ihre Qualität im Laufe des Spiels aber stark schwankt. Nur manche Rätsel sind mit den Themen und Inhalten des Spiels verwoben, andere stören eher, sind unterfordernd oder übermäßig kompliziert.
Einsatzmöglichkeiten
Durch die Freigabe ab 12 Jahren in Deutschland lässt sich Irony Curtain im Rahmen von Ausstellungen, Unterricht oder Workshops zum Kalten Krieg oder zur Diskussion postsowjetischer Staaten gut einsetzen. Es zeigt einerseits die bis heute im westlichen Raum tief verankerten Stereotype auf und weist andererseits darauf hin, dass die politische Ideologie nicht das zentrale Problem sind, sondern ihre Pervertierung durch totalitäre Regime und Diktatoren.
Als reines 2D-Adventure ist es auch auf wenig leistungsfähigen Computern und auf den Konsolen der vorherigen Generation gut spielbar. Die Spielzeit ist mit vier Stunden überschaubar, aber es reichen auch einzelne Szenen oder Dialoge, um über klischeehafte Repräsentationen von kommunistischen Staaten und Regimen zu sprechen. Genau dafür eignet sich das Spiel sehr gut. Durch den geringen Interaktionsgrad kann hier auch vorgespielt oder nur einzelne kurze Clips behandelt werden.
Zu dieser inhaltlichen Ebene gesellt sich eine subtilere Kritik an kapitalistisch geprägten politischen Systemen. Hier muss als notwendiger Kontext die Trump-Ära und die bis heute anhaltenden Angst vor Kommunismus und als sozialistisch wahrgenommener linker Politik in den USA mit einbezogen werden. Außerdem kann an dieser Stelle das Mittel der Satire als Möglichkeit für Kritik an Politik betrachtet und diskutiert werden.
Weiterführendes Material
- Maier, Charles S. What Have We Learned since 1989? In Contemporary European History 18 (2009), 253-269.
- Pfister, Eugen. Cold War Games(TM). Der Kalte-Krieg-Diskurs im digitalen Spiel. In Portal Militärgeschichte, 10.04.2017,
- Pfister, Eugen und Unterhuber, Tobias. Einleitung: „The revolution will (not) be gamified – Marx und das Computerspiel“. PAIDIA, 21.01.2021
- Schumpeter, Joseph A. Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Mit einer Einführung von Heinz D. Kurz. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 2020.
- Seiwald, Regina. Down with the Commies: Anti-Communist Propaganda in American Cold War Video Games. PAIDIA, 21.01.2021
- Wydra, Harald. Communism and the Emergence of Democracy. Cambridge: Cambridge University Press, 2007.
Zitierempfehlung
Färberböck, Peter. „Irony Curtain: From Matryoshka with Love“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]