Spielcover: Home After War

Home After War

Die interaktive VR-Experience Home After War spielt in Falludscha im Irak. Die Spieler*innen begleiten Ahmaied Hamad Khalaf und seine Familie bei der Rückkehr in ihre zerstörte Heimat, erkunden das Haus und erfahren dabei von dem Schicksal der Familie durch Krieg und Flucht.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: NowHere Media / Gayatri Parameswaran (USA / Deutschland)
  • Publisher: NowHere Media
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Genre: Simulator
  • Thema: 21. Jahrhundert, Flucht und Migration
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion, Kostenlos
  • Vermittlungspotenzial Hoch
  • Zeitaufwand Gering
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Juliane Lippok

Dr. Juliane Lippok studierte in Berlin Ur- und Frühgeschichte und Klassische Archäologie und ist heute für den Bereich Bildung und Vermittlung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zuständig.

Die interaktive VR-Experience Home After War spielt in Falludscha (Irak) kurz nach dem Ende der Herrschsaft des Islamischen Staats (IS). Obwohl der Krieg gegen den IS beendet ist, besteht für die zurückgekehrten Geflüchteten weiterhin Gefahr, die von Landminen und in den Häusern installierten Sprengfallen ausgeht. Zu den Menschen, die nach Falludscha zurückkehren, gehört Ahmaied Hamad Khalaf mit seiner Familie. Die Spieler*innen erkunden mittels freier Bewegung oder Teleportation das Haus der Familie, wobei an bestimmten Punkten eine virtuelle Repräsentation (Avatar) Amaihed Khalafs erscheint. Diese berichtet in seiner Muttersprache über das Schicksal der Familie während Krieg, Flucht und Rückkehr. Im Verlauf des Berichts werden 360°-Videos über das Leben in einem Lager für Geflüchtete eingespielt. Home After War ist mit der VR-Hardware Oculus Quest 1 und 2 sowie Oculus Rift ausführbar.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Die VR-Experience Home After War verfolgt das Ziel, über Gefahren von Sprengfallen und Landminen anhand eines zeitgeschichtlichen Beispiels aufzuklären. Dementsprechend entstand sie als Kooperationsprojekt von Oculus for Good und dem Geneva International Centre for Humanitarian Deminingv (GICHD). Dieses Setting verdeutlicht die erinnerungskulturelle Relevanz der Experience.

VR-Experiences verfolgen in der Regel das Ziel, Szenarien erfahrbar zu machen, die den Spieler*innen sonst nicht zugänglich sind. Das kann die Erfahrung zu Erblinden (Notes on Blindness) ebenso betreffen wie Fluchterfahrungen (The Key). Häufig greifen diese Formate auf Erfahrungsberichte zurück und nutzen die Möglichkeitsräume virtueller Realitäten, um durch Interaktion zwischen Spieler*innen und Welt eine höchstmögliche Immersion zu erzeugen. Dieses starke immersive Element macht den Mehrwert einer VR-Erfahrung gegenüber herkömmlichen Spielen und Filmen aus. Home After War verfährt in diesem Umfeld eher konventionell und ist am ehesten mit einer Dokumentation zu vergleichen, die Zeitzeugenberichte an originalen Schauplätzen präsentiert. Anders als bei The Key, wo der Bezug zur Fluchterfahrung erst in einem Twist am Ende eingeführt wird, ist das Ziel von Home After War von Anfang an klar. Da sich die Interaktion auf eine recht lineare Erkundung des Hauses beschränkt, ist der Immersionsgrad vergleichsweise gering.

Diskussionspunkte

Wie bereits The Key bewiesen hat, können VR-Experiences eingesetzt werden, um die Perspektiven von Menschen mit Flucht- oder Kriegserfahrungen zu vermitteln, ohne die Thematik zu verharmlosen oder die Spieler*innen emotional zu überwältigen. Entscheidend für den Erfolg bei den Nutzer*innen ist, dass technische Mittel und Inhalt aufeinander abgestimmt sind. Home After War verwendet vorrangig gängige filmische Mittel. Die einzige Ausnahme ist die Darstellung der Explosion einer Sprengfalle. Diese Szene könnte auf sensible Menschen ohne VR-Erfahrung oder Menschen mit traumatischen Erfahrungen verstörend wirken und ist das stärkste immersive Element der VR-Experience. Die Explosion trifft die Spieler*innen allerdings nicht vollkommen unerwartet, da der Zeitzeuge ein kommendes Unglück andeutet. Die Experience verfolgt einen didaktischen Ansatz und vermittelt eindeutige Botschaften. Ein Beispiel dafür ist die sehr klare Friedensbotschaft am Ende, die sich mit den bekannten Worten der Antikriegsbewegung „Nie wieder Krieg“ zusammenfassen ließe. Diesem stellenweise fast plakativen Vermittlungsansatz wird durch den Zeitzeugenbericht Tiefe und Glaubwürdigkeit verliehen.

Einsatzmöglichkeiten

Die kostenlose, deutschsprachige VR-Experience ist auf jeden Fall für den Einsatz z. B. im Ethik- und Geschichtsunterricht oder im Bereich des Globalen Lernens geeignet, zumal die Steuerung einfach und kaum technisches Vorwissen erforderlich ist. Es stellt sich aber die Frage, inwiefern ein Mehrwert gegenüber konventionellen Zeitzeugenberichten in Dokumentationen generiert wird, der die Nutzung in pädagogischen Kontexten, besonders angesichts der noch geringen Verbreitung von VR-Brillen, attraktiv machen würde. Bei Vorhandensein einer entsprechenden VR-Brille in der Gruppe der Teilnehmenden oder der durchführenden Institution ist es möglich, die Erfahrung in Kleingruppen zu spielen und auszuwerten, da diese mit rund 18 Minuten Laufzeit recht kurz ist. Alternativ könnte auch der englische Trailer mit Making of verwendet werden, um in die Thematik einzuführen. Dabei geht natürlich der immersive Aspekt verloren.

Home after War hat eine USK-Freigabe ab 6 erhalten. Der pädagogische Einsatz ist eher ab 12 zu empfehlen, da das Thema durchaus komplex ist und der Inhalt emotional herausfordernd sein kann. Die VR-Experience fördert Multiperspektivität und Empathie. Darüber hinaus sensibilisiert sie für längerfristige Kriegsfolgen und vermittelt Medienkompetenzen im Bereich VR.


Weiterführendes Material

Goerdeler, Bettina (Hrsgin.). „Virtuelle Realität – Erlebnisse im Wald aus Pixeln“. 3.8.2021, zuletzt abgerufen am: 29.4.2022

Tricart, Celine. „The Key“. 2019, zuletzt abgerufen am: 29.4.2022

Zitierempfehlung

Lippok, Juliane. „Home After War“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 31.05.2022. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Migration Lab Germany aus Mitteln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.