Fortnite Holocaust Museum (Voices of the Forgotten)

Das Holocaust Museum „Voices of the Forgotten“ wurde 2023 im Baumodus des eigentlichen Koop-Survival-Shooters Fortnite erschaffen. Die Spieler*innen können sich in diesem simulierten Museum u.a. anhand ausgewählter Biographien über den Holocaust informieren. Frei von spielerischen Zielen oder auch der Funktion des Schießens und Tanzens versteht sich „Voices of the Forgotten“ als digitaler Erinnerungsort an die Verfolgten des NS-Regimes.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Luc Bernard, Epic Games, People Can Fly (USA, PL, UK)
  • Publisher: Epic Games & Gearbox Publishing
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Genre: Serious Game, Simulator
  • Thema: Flucht und Migration, Holocaust, Nationalsozialistische Herrschaft, Widerstand
  • Zugänglichkeit: Englische Sprachversion, Kostenlos
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Gering
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Tim Kucharzewski

Dr. Tim Kucharzewski promovierte in Geschichte an der Universität Potsdam mit einem Fokus auf Konfliktforschung. Dort absolvierte er ebenfalls seinen Master in Military Studies. Er arbeitet im Bereich der politischen Bildung.

Das beliebte Spiel Fortnite ist vor allem durch den sognannten Battle Royale- Modus populär; hierbei können online bis zu 100 Spielende allein oder in Gruppen gegeneinander antreten. Grundsätzlich ist das Spieleziel als letzte Gruppe oder Figur übrig zu bleiben. Dies kann durch Schießen und Bauen erreicht werden. Im Kreativmodus des Spiels können Nutzer*innen hingegen eigene Welten, sogenannte Inseln, innerhalb des Spiels erstellen, die als soziale, virtuelle Räume über das Standard-Gameplay des Shooters hinausgehen. Der Game-Designer Luc Bernard erbaute mit dieser Funktion ein digitales Museum. Bei dem Format handelt es sich um eine 3D-Simulation, in der Spielende mit ihren Figuren durch eine Ausstellung laufen, die mit dem Besuch eines analogen Museums vergleichbar ist. Der Titel „Voices of the Forgotten“ [Stimmen der Vergessenen] lässt den Anspruch erkennen, weniger bekannten Akteur*innen, die sich gegen den Nationalsozialismus gewehrt haben, einen Erinnerungsort zu schaffen. Dementsprechend deaktivierte Bernard für seine Insel die Nutzung von Waffen sowie das Tanzen der Spielfiguren. Das ausgestellte Bildmaterial setzt sich aus sepiafarbenen Porträt- oder Gruppenaufnahmen zusammen. Diese werden durch kurze, erklärende Tafeln etwas kontextualisiert.

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Mit 400 Millionen Spielenden hat ein Museum in Fortnite das Potential, viele Menschen zu erreichen. Anhand dieser Reichweite ist die erinnerungskulturelle Bedeutung eines Holocaust-Museums innerhalb des Spiels offensichtlich. Spielende werden hier aus ihren lebensweltlichen Gewohnheiten abgeholt und mit der erinnerungskulturellen Thematik konfrontiert. Hinter dem simulierten Eingangsbereich wird sogleich die sogenannte „Kristallnacht“ von 1938 in der Ausstellung thematisiert, jenes Ereignis, das oft als Beginn der Shoa genannt wird. Alternativ können die Besuchenden den Rundgang mit einem Raum starten, der sich mit „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ beschäftigt; einem Buch des Schriftstellers Franz Werfel, das den ottomanischen Genozid an Armenier*innen im Rahmen des Ersten Weltkriegs beleuchtet. Dies zeugt davon, dass die Ausstellung räumlich und zeitlich einen breiten Blick beansprucht. Folglich ist ein global-geschichtlicher Ansatz vorzufinden. Auch die Zeit „nach dem Holocaust“ wird thematisiert. Strukturelle Rahmenbedingungen, große Ereignisse wie auch individuelle Schicksale werden angerissen. Eine eigene Abteilung ist „historischen Figuren“ gewidmet. Diese werden mit Bild und kurzer biografischer Tafel vorgestellt. Andere Tafeln beschäftigen sich mit jüdischen Widerstandsgruppen, afroamerikanischen regulären Soldaten oder auch Josephine Baker. Die gewählte Perspektive ist vorrangig eine des aktiven Widerstandes. Täter*innen stehen nicht im Fokus. Die Ausstellung ist der Intention nach ein Denkmal für Menschen, die gegen die Schrecken der nationalsozialistischen Diktatur gehandelt haben

Diskussionspunkte

Der Umgang mit Erinnerung an den Holocaust hat stets Potential für Kontroversen. Gerade die Anwendung eines digitalen Spiels wie Fortnite, das üblicherweise von einer bunten Spielwelt und tanzenden Comicfiguren geprägt ist, birgt ein Risiko. Besonders im englischsprachigen Raum sorgte die Simulation mit dem Anspruch ein Museum zu sein für erneute Debatten. Das Fehlen von Quellenangaben und die wechselhafte Qualität der bereitgestellten Informationen befeuerten Sorgen bezüglich historischer Faktentreue, Fehldarstellungen und Trivialisierung. Hier bleibt die Simulation hinter oft transparent kuratierten Vorbildern der analogen Museumslandschaft zurück. Hinzu kommen Marktzwänge, die Druck auf den Publisher ausüben. Ein Skandal mit Bezug auf die Shoa wäre schwer tragbar. Das gewählte Format der Übertragungen einer klassischen Ausstellung in den digitalen Raum wirft die Frage auf, warum gerade mögliche Interaktionen, ein besonderes Merkmal digitaler Spiele, im Museum so beschränkt bleiben. Eine berechtigte Sorge vor missbräuchlicher Nutzung des digitalen Ausstellungsraums wirkt hier nur teilweise erklärend. Luc Bernard jedenfalls nannte als eine der Motivationen für die Entwicklung seines Museums, dass nur 20 % der US-Amerikaner*innen ein Holocaust Museum besucht hätten, obwohl hunderte Millionen Dollar für solche Zwecke investiert wurden. Digitale Spiele, das mitunter populärste Medium bei jungen Menschen, können hier Abhilfe schaffen, argumentieren Befürworter*innen der Idee. Nicht nur die auf digitale Spiele spezialisierte Presse, sondern auch einflussreiche Leitmedien, wie die New York Times oder Euronews befassten sich mit dem Museum.

Einsatzmöglichkeiten

In Bezug auf Einsatzmöglichkeiten lässt sich feststellen, dass ein Besuch des virtuellen Holocaust Museums ähnlich beschaffen ist, wie der eines analogen Gegenstücks in der echten Welt. Das Format bietet einen Ort, an welchem Fakten und Bilder veranschaulicht sind. Die Navigation entspricht allen gängigen 3D-Simulationen. Zwar beanspruchen solche Simulationen relativ viel Rechenleistung, die weite Verbreitung von Fortnite über alle Plattformen hinweg ermöglicht jedoch die Nutzung auf diversen Endgeräten. Fortgeschrittene spielerische Fähigkeiten sind nicht erforderlich. Steuerung wie auch Kuration sind als zugänglich einzustufen. Die Kürze der Texte eignet sich für eine erste Einführung, um Interesse zu wecken. Jedoch bleibt eine genauere Kontextualisierung des Gesehenen aus. Eine pädagogische Einordnung außerhalb der Spielwelt ist daher unbedingt notwendig. Somit eignet sich das Werk besonders für einen Einstieg oder als Zusatz im Rahmen von Veranstaltungen der politisch-historischen Bildung. Das Hauptspiel Fortnite hat eine USK 12 Freigabe, jedoch ist das Museum ohne Altersbeschränkung eingestuft.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Kucharzewski, Tim „Fortenite Holocaust Museum / Voices of the Forgotten“.  Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 14.03.2024 [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Projekts "Let's Remember! Erinnerungskultur mit Games vor Ort" in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.