Curious Expedition 2
Wie schon das Vorgängerspiel ist Curious Expedition 2 ein rundenbasiertes Roguelike, zeichnet sich also durch zufallsgenerierte Level und hohen Schwierigkeitsgrad aus. Als Leiter einer Expeditionsgruppe bricht man von der im Aufbau befindlichen Weltausstellung von Paris in den Jahren 1886 bis 1889 im Auftrag von drei Entdeckerclubs auf Abenteuerreisen auf.
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Erinnerungskulturelle Einordnung
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Wie schon das Vorgängerspiel ist Curious Expedition 2 ein rundenbasiertes Roguelike, zeichnet sich also durch zufallsgenerierte Level und hohen Schwierigkeitsgrad aus. Als Leiter einer Expeditionsgruppe bricht man von der im Aufbau befindlichen Weltausstellung von Paris in den Jahren 1886 bis 1889 im Auftrag von drei Entdeckerclubs auf Abenteuerreisen auf. Man kann sich bei jeder Reise für einen Club entscheiden: die Royal Avalon Gesellschaft ist atmosphärisch an das viktorianische England angelehnt. Die Akademie Taishi wiederum nimmt Bezug auf chinesische Gelehrtentraditionen. Die Lux Laboratorien hingegen werden vom Erfinder Thomas Edison ins Leben gerufen und fokussieren sich auf maschinell-elektrische Erfindungen.
Erneut spielt das Konzept einer durch das Reisen abnehmenden geistigen Gesundheit eine zentrale Rolle. Wird ein Schwellenwert unterschritten, drohen der Gruppe negative Ereignisse, welche die Expedition noch schwerer gestalten können.
Innerhalb der divers angelegten Gruppen entfaltet sich im Spielverlauf eine gewisse Beziehungsdynamik, so können einzelne Mitglieder Freundschaften schließen oder sich sogar ineinander verlieben. Im Verlauf der Spielzeit erhalten die Charaktere Erfahrungspunkte für Levelaufstiege, die ihnen bessere Fähigkeiten verleihen.
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Auch Curious Expedition 2 regt durch satirische Überspitzung eine kritische Auseinandersetzung mit bis heute popkulturell wirksamen Vorstellungen „großer Entdecker“ in der Tradition von z. B. Reise- und Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts an.
Verschiedene Themen aus der Hochzeit des Kolonialismus werden so auf leicht verdauliche Art und Weise aufgezeigt: Die Naivität und Arroganz weißer Europäer auf ihren Entdeckungsreisen werden satirisch durch die offensichtlichen, bis ins Absurde gesteigerten Auswirkungen ihrer Erkundungen auf die indigene Bevölkerung sowie die Umwelt verdeutlicht. Dies war auch schon im Vorgänger Curious Expedition der Fall.
Im Nachfolger hat man jedoch die Wahl zwischen zwei archetypischen Charakteren als Expeditionsleiter: Der Großwildjäger zeichnet sich durch ein kontinuierlich belastetes Verhältnis zur indigenen Bevölkerung aus, deren Fauna er zur Erlangung von Ruhm bejagt. Als Anthropologe studiert man die Kultur der Einwohner, was oberflächlich zu einer freundlicheren Interaktion mit diesen führt, aber sich vor allem durch die Ignoranz der Figur auszeichnet, denn die Spielfigur fährt für diese Studien vor allem „Ruhm“ in der europäischen Heimat ein. Die Einwohner werden jedoch nie wirklich verstanden und die Figur interessiert sich lediglich oberflächlich für ihre Bräuche und Riten.
Diskussionspunkte
Die Kritiken am zweiten Teil von Curious Expedition unterscheiden sich im Wesentlichen kaum von denen des ersten Teils. Entwickler Johannes Kristmann macht im Interview deutlich, dass sie ihr Spiel ohne „erhobenen Zeigefinger“ entwickelt haben. Eine kritische Reflexion über Kolonialismus wolle man aus Unterhaltungs- und Wirtschaftlichkeitsgründen zwar ermöglichen, aber nicht vorgeben. Man wolle lediglich die Darstellung indigener Bevölkerungen respektvoll gestalten.
Erneut wird diese Herangehensweise in Besprechungen kritisiert. So wird unter anderem bemängelt, dass man sich beim Zeichenstil des neuen Teils an den „Tim und Struppi“-Comics orientiert, wo diese doch für ihre rassistischen Darstellungen in heutiger Zeit umstritten sind. Außerdem wird aufgezeigt, dass eine mögliche Kritik an Imperialismus und Kolonialismus durch die im Vergleich zum ersten Teil noch stärkeren fantasievollen Elemente zu belanglos daherkomme.
Auch das Narrativ der Kampagne um eine befreundete Forscherin sowie die geheimnisvolle Macht einer uralten Zivilisation besitzt kaum Bezug zum historischen Kolonialismus. Erneut stellt sich die grundlegende Frage, wie gut sich ein auf Spielspaß hin entworfenes Spiel für die kritische Aufarbeitung eines solch ernsten Diskurses eignet. Trotz aller satirischen Überspitzung der kolonialistischen Perspektive von weißen Europäer*innen fehlt nach wie vor eine gegenüberstehende Agenda der Kolonisierten. Diese können abseits von eigener Aggression nicht reagieren und verbleiben meist passiv.
Einsatzmöglichkeiten
Die oben genannten Diskussionspunkte machen einen Einstieg in die Diskussion möglicherweise auch leicht, denn daran anknüpfend besitzt Curious Expedition 2 durchaus Anknüpfungspunkte für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus und seiner Rezeption.
Wie schon beim ersten Teil der Reihe kann man hier auf Motivationen und Praktiken von Expeditionen im 19. Jahrhundert Bezug nehmen oder medienübergreifende Topoi daran erarbeiten. Die gemachten Spielerfahrungen sind ebenso möglicher Ausgangspunkt für eine Diskussion zur Frage der Kritik beziehungsweise Reproduktion kolonialistischer Darstellungen über Strategien der satirischen Zuspitzung und Verfremdung neu entdeckter Welten und ihrer Bewohner*innen. Auch die Diskussion von realhistorischen Entdeckerpersönlichkeiten bietet sich vor diesem Hintergrund an.
Da die Komplexität des Spiels im Vergleich zum Vorgänger leicht gestiegen ist, sollten mindestens zwei Unterrichtsstunden für das Erspielen einer einzelnen Expedition und eine anschließende Diskussion über einen der oben genannten Aspekte eingeplant werden.
Curious Expedition 2 ist bislang leider nicht wie sein Vorgänger in einer Version für Internetbrowser erhältlich. Die Anforderungen für ein flüssiges Spielerlebnis sind allerdings recht niedrig, so dass auch mit Laptops gut gearbeitet werden kann.
Weiterführendes Material
- Osterhammel, Jürgen. Die Verwandlung Der Welt: Eine Geschichte Des 19. Jahrhunderts. München: C.H. Beck, 2009.
- Wendt, Reinhard. Vom Kolonialismus Zur Globalisierung: Europa Und Die Welt Seit 1500. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 2016.
- „Curious Expedition 2: Special mit Entwickler – Let’s Play und Talk“, Daniel Blum, 07.06.2021, online
- Idinger, Tobias. „Curious Expedition 2: Expeditionen, Artefakte Und Exotismus.“ Welcome To Last Week, 26.07.2021.
- Rose, Maximilian. „Imperialismus mit menschlichem Antlitz – Curious Expedition 2 Kritik (PC).“ GAIN Magazin, 31.03.2020.
- Kutscher, Christina. „Wir konstruieren Ortschaften und dekonstruieren kolonialistisches Erbe in Spielen“ Lost Levels Podcast, 12.07.2020.
- Dawitz, Bastian/Djemili, Riad/Heinemann, Jan/Heinze, Robert. „Kolonialismus in Spielen”, Let’s Talk Historygames Podcast, 13.05.2019.
Zitierempfehlung
Dawitz, Bastian. „Curious Expedition 2“, Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]