Spielecover: Call of Duty - WWII

Call of Duty: WWII

Im Shooter Call of Duty: WWII übernehmen Spieler*innen die Rolle von US Army Private Ronald Daniels an der Westfront während der Landung in der Normandie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Spiel geht neue Wege, indem erstmals sowohl Antisemitismus innerhalb der US-Truppen als auch Kriegsverbrechen des NS-Regimes explizit gezeigt werden.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Sledgehammer Games (USA)
  • Publisher: Activision
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Genre: Shooter
  • Thema: Antisemitismus, Holocaust, Nationalsozialistische Herrschaft, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Eugen Pfister

Eugen Pfister ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er leitet das SNF-Forschungsprojekt "Horror Game Politics" an der HKB Bern und forscht zur politischen Geschichte und Ideengeschichte von und in digitalen Spielen.

Call of Duty: WWII ist ein First Person Shooter und mittlerweile der 14. Teil der erfolgreichen Call of Duty-Reihe, deren erster Teil im Jahr 2003 erschien. Die ersten drei Spiele der Reihe sind im Zweiten Weltkrieg angesiedelt, spätere Teile spielen in anderen historischen Settings (z. B. Vietnamkriegs-Ära) oder in rein fiktionalen Science-Fiction-Szenarien. Call of Duty: WWII ist im Jahr 2017 erschienen und kehrt mit dem Zweiten Weltkrieg inhaltlich zu den Ursprüngen der Reihe zurück. In der Singleplayer-Kampagne übernehmen Spieler*innen die Rolle von US Army Private Ronald Daniels an der Westfront während der Landung in der Normandie. In den in sich geschlossenen Missionen ist das Ziel meistens das Erreichen bestimmter Punkte auf der Spielkarte bzw. das Töten von Feind-Gruppen. Die Spielstruktur ist dabei streng linear. Alle Hauptziele einer Mission müssen erreicht werden, damit das Spiel fortgesetzt werden kann, gleichzeitig ist der erfolgreiche Abschluss aller Missionen Voraussetzung für das Abschließen der Kampagne. Das Ende des Spiels korrespondiert dabei erzählerisch mit dem Ende des Krieges. Zwischen und während den Missionen wird in cineastischen Zwischensequenzen das Leben der einzelnen Soldaten näher beleuchtet, wobei neben dem für das Genre üblichen Fokus auf Kameraderie und Heldentum aber auch Rassismus und Antisemitismus innerhalb der US Army angesprochen wird. Der Multiplayer-Modus stellt im Grunde ein eigenes Spiel dar, wie für das Genre normalerweise auch üblich. Wenn Spieler*innen aus aller Welt online in unterschiedlichen Spielarenen und -modi gegeneinander antreten, tritt das historische Narrativ von Call of Duty: WWII vollends in den Hintergrund und wird zur bloßen Kulisse.

Video-Kurzreview

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Call of Duty: WWII ist zunächst ein First-Person-Shooter, der im zweiten Weltkrieg spielt und den etablierten Merkmalen des Genres folgt. Der Krieg wird aus Perspektive der amerikanischen Befreier gezeigt, in dem Konflikte vor allem mit Waffengewalt gelöst werden. Feindliche deutsche Soldaten müssen besiegt (erschossen) werden, um im Spiel voranzukommen. Allerdings ist es in Ausnahmesituationen auch möglich Gegner, die sich ergeben, gefangen zu nehmen: Einer von wenigen Momenten, in dem Feinde im Spiel auch als Menschen dargestellt werden. Wie den meisten populärkulturellen Umsetzungen des Zweiten Weltkriegs geht es im Spiel eher weniger darum, eine realistische Darstellung des Fronterlebnisses zu liefern. Stattdessen wird eine spezifische und aus Filmen, Romanen und Fernsehserien bekannte Helden- und Befreiungsgeschichte nacherzählt, die ein wichtiger Bestandteil unserer kollektiven Identitäten ist. Aus diesem Grund erscheinen die meisten Szenarien wie die „Brücke von Remagen“ oder die „Landung in der Normandie“ den meisten Spieler*innen von Anfang an vertraut. Trotzdem geht das Spiel als erstes in einer langen Reihe von im Zweiter Weltkrieg spielenden Shootern neue Wege, indem erstmals sowohl Antisemitismus innerhalb der US-Truppen als auch Kriegsverbrechen des NS-Regimes explizit gezeigt werden. Darüber hinaus ist es der erste First-Person Shooter, der im Epilog der Singleplayer-Kampagne einen jüdischen KZ-Gefangenen zeigt – explizit auf den Holocaust oder Begriffe wie „Konzentrationslager“ wird im Spiel allerdings nicht verwiesen. Zwar wird der Fokus am Ende der Singleplayer-Kampagne auf den gewohnten Helden- und Kameradenmythos gesetzt, zugleich zeigt das Spiel aber auch, dass eine Darstellung des Krieges unter Auslassung der Menschenrechtsverbrechen des NS-Regimes nicht länger denkbar ist.

Diskussionspunkte

Die Entwickler*innen des Spiels wollten bewusst auf die „very dark things“ des Zweiten Weltkriegs verweisen und mit der bisher vorherrschenden heroisierenden Darstellung von Soldaten im Zweiten Weltkrieg brechen. Aus diesem Grund werden Themen wie die Judenverfolgung in NS-Deutschland, aber auch der Rassismus und Antisemitismus innerhalb der US Army im Spiel angerissen. Die atypische Epilog-Mission im Strafgefangenenlager, in welcher ein gefangener (jüdischer) Kamerad befreit werden muss, verwendet ganz eindeutig bekannte Symbole des Holocaust: Stockbetten, Baracken, Stacheldraht, Wachtürme, Verfall und Zerstörung. Hier wurde auch bewusst darauf verzichtet, die Spieler*innen kämpfen zu lassen. Die Waffe in der Hand verliert vollständig ihre Funktion bei der Dokumentation der NS-Verbrechen. Hier gingen die Entwickler*innen neue Wege und scheuten auch nicht davor zurück, in einem Unterhaltungsmedium bewusst auf unangenehme Darstellungen einer gemeinsamen Vergangenheit zurückzugreifen. Zugleich fehlt aber in letzter Konsequenz den Holocaust im Spiel auch beim Namen zu nennen. Problematisch ist vor allem der Multiplayer-Modus des Spiels, da der Krieg hier als ausgeglichener Wettstreit zweier ebenbürtiger Gegner dargestellt wird. Eine kritisch historische Einordnung findet nicht statt. Der Verweis der Entwickler*innen in einem Interview, dass hier nur „einfache Wehrmachtsoldat*innen“ gespielt werden können und keine Nazis, zeugt dabei von einem mangelnden Bewusstsein für die Kriegsverbrechen der Wehrmacht.

Einsatzmöglichkeiten

Es ist grundsätzlich schwierig, First-Person Shooter sinnvoll als pädagogische Werkzeuge einzusetzen. Die Singleplayer-Kampagne ist schwer als Gruppe erfahrbar zu machen und der Multiplayer-Modus bietet abgesehen von den oben angeführten Kritikpunkten nur wenig Anschauungspotenzial. Für eine erinnerungskulturelle Vermittlung ist hingegen die Analyse der Reproduktion bekannter populärkultureller Szenen interessant. Hier kann auf die Geschichte der Darstellung des Zweiten Weltkriegs in der Populärkultur verwiesen werden: Von den ersten Heldenfilmen und Landserheften der frühen Nachkriegszeit bis hin zu den (Anti-)Kriegsfilmen unserer unmittelbaren Vergangenheit. Der interessanteste Moment für die Vermittlung von Erinnerungskultur ist dabei mit Sicherheit die atypische Mission im Epilog, in der es darum geht, Kriegsverbrechen in einem „Stalag“ zu dokumentieren. Anhand dieser Mission, die aufgrund der Handlungsentlastung auch jederzeit gut für Erklärungen unterbrochen werden kann, könnte z. B. eine Analyse der KZ-Ikonographie vermittelt und/oder auch explizit auf die Befreiungsgeschichte der Konzentrationslager eingegangen werden – auch wenn das Spiel bewusst solche Termini vermeidet.


Weiterführendes Material

  • Pfister, Eugen „’Man spielt nicht mit Hakenkreuzen!‘ Imaginations of the Holocaust and Crimes Against Humanity During World War II in Digital Games.“ In Historia Ludens: The Playing Historian, herausgegeben von Alexander von Lünen et al. London: Routledge, 2019.
  • Pfister, Eugen „‚Of Monsters and Men‘ – Shoah in digital games.“ In Public History Weekly 6 (2018) 23.
  • Widmann, Tabea „Spielerisches Erinnern an den Holocaust?“ In Stiftung Digitale Spielekultur, 04.05.2021, zuletzt aufgerufen am: 06.06.2021

Zitierempfehlung

Pfister, Eugen. „Call of Duty: WWII“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 24.06.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde finanziert durch Fördermittel der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).