Im Gegensatz zu klassischen politischen Simulationen wird bei „Suzerain“ das Augenmerk nicht auf das Verschieben von Reglern und das strategische Balancieren von Ressourcen gesetzt, sondern auf die Dilemmata, mit denen man als politische*r Akteur*in konfrontiert wird.
Im Hintergrund eines Szenarios, das an die historische Frühphase des Kalten Kriegs der 1950er angelehnt ist, lernen die Spieler*innen Politik aus einer fast intimen Perspektive kennen: Macht wird als komplexes Zusammenspiel von Kompromissen, Beziehungspflege und gezielten Momenten der kühlen Behauptung von Interessen erzählt.
Der ideale Staat – der sich aus den politischen Versprechungen ableitet, die man am Anfang des Spiels macht – lässt sich nicht widerstandslos umsetzen. Jede Entscheidung hat einen Preis, der den Handlungsspielraum in anderen Fragen reduziert: Wer eine faire Bezahlung für Frauen durchsetzen will, hat weniger Budget für den Aufbau der Infrastruktur in gebeutelten Regionen – und verliert damit den guten Willen der Wirtschaft, die man für eine Reform des Tarifrechts bräuchte. In einer dem Guillaume-Skandal ähnelnden Staatsaffäre muss der*die Spielende sich entscheiden, ob er*sie die Konsequenzen eines Spionageskandals selbst schultert oder den besten Freund, der Chef der Staatskanzlei ist, als Hauptschuldigen öffentlich präsentiert – und damit sich selbst und die eigenen ambitionierten politischen Ziele rettet.
Die Interaktionen mit der eigenen Familie zeigen einen in politischen Simulationen oft vernachlässigten Aspekt: Politiker*innen als Menschen mit facettenreichen Persönlichkeiten, die Ängste und Wünsche haben und Wege finden müssen, ihr familiäres Glück nicht ihrem beruflichen Ehrgeiz zu opfern.
Aufgrund der gelungenen Analogien zum Kalten Krieg, der Empathie fördernden Erzählung von Politik als anspruchsvolles Handwerk und der damit verbundenen moralischen und ethischen Fragen bietet sich ein Einsatz sowohl im Gemeinschaftskunde- als auch im Geschichts- oder Ethikunterricht an. Da das Spiel ein grundsätzliches Verständnis politischer Strukturen und das Lesen sowie Verstehen langer Texte verlangt, empfiehlt sich ein Einsatz für Oberstufen-Schüler*innen. Bei der langen Spielzeit von durchschnittlich 12 Stunden könnten die Schüler*innen über mehrere Wochen “Suzerain“ in Gruppen spielen und versuchen, vereinbarte politische Ziele umzusetzen. Im Rahmen des Unterrichts können die getroffenen Entscheidungen, deren Konsequenzen sowie ein relevanter inhaltlicher Teilaspekt gemeinsam diskutiert werden, wie zum Beispiel die Funktion von Gewaltenteilung in demokratischen Staaten oder das Prinzip der Einflusssphären im Kalten Krieg.