My Memory of Us

Geschichte | Politik

„My Memory of Us“ ist ein erzählerisches Abenteuer, das in einer düsteren, von einer Roboterarmee besetzten Welt spielt. Die Geschichte wird aus der Perspektive eines alten Mannes erzählt, der sich an seine Kindheit und die Freundschaft mit einem Mädchen erinnert. Gemeinsam kämpfen sie gegen die Unterdrückung durch den tyrannischen Roboterkönig, der Teile der Bevölkerung, darunter auch das Mädchen, mit der Farbe Rot markiert und verfolgt. Das Spiel thematisiert Freund*innenschaft, Mut und Widerstand in schwierigen Zeiten und ist von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs inspiriert, vermittelt aber seine ernste Botschaft in einer künstlerischen, fesselnden Welt. Spielende müssen die besonderen Fähigkeiten der beiden Kinder nutzen, um Rätsel zu lösen und der Gefahr zu entkommen. „My Memory of Us“ bietet eine Mischung aus Abenteuer, Rätseln und emotionaler Erzählung, die zum Nachdenken anregt.

Allgemeine Infos

Pädagogische Einordnung
 

Autor: Jakob Saß

Zeitaufwand

Komplexität

Problematische Aspekte

Verherrlichung von Täterschaft

Spielinhalt

In „My Memory of Us” erleben die Spieler*innen aus der Perspektive zweier Kinder den Beginn des Zweiten Weltkrieges in Polen und die Verfolgung jüdischer Bürger*innen durch das NS-Besatzungsregime. Die fesselnde Geschichte verzichtet auf Gewaltdarstellungen und vermittelt kindgerecht, wie Diskriminierung funktioniert und welche Gegenstrategien es gibt.

Spielmechanik

Das Spiel ist ein linear und liebevoll erzähltes Rätsel-Abenteuer, bei dem sich Zahlen- und Kombinationsrätsel, kleine Geschicklichkeitsspiele und narrative Zwischensequenzen abwechseln. Im Vordergrund stehen die Solidarität und Freundschaft der beiden spielbaren Charaktere: Die Herausforderungen sind nur zu meistern, wenn sie zusammenarbeiten und ihre verschiedenen Fähigkeiten geschickt einsetzen.

Pädagogische Einsatzfelder

Was können zwei Kinder tun, wenn ihr Land von einem gierigen Roboterkönig und seiner Armee überfallen und besetzt wird? Ziemlich viel! Das ist jedenfalls die Botschaft des polnischen Spiels „My Memory of Us”. Die Spieler*innen tauchen dabei in die Erinnerung eines alten Mannes ein, der von seiner Kindheit und der Freundschaft mit einem Mädchen erzählt. Gemeinsam leisten sie Widerstand gegen das Besatzungsregime des Roboterkönigs, der einige Menschen mit der Farbe Rot kennzeichnen, ausgrenzen und verfolgen lässt, darunter auch das Mädchen.

Durch die kindgerechte, abstrakte Darstellung von Krieg, Besatzung, Antisemitismus und Holocaust ist das Spiel vor allem für Schüler*innen zwischen 10 und 14 Jahren pädagogisch wertvoll, zumal es für diese Zielgruppe bisher kaum erinnerungskulturell relevante Games gibt. Im Gegensatz zu thematisch ähnlichen Spielen schreckt „My Memory of Us” jüngere Spielende nicht mit Textlastigkeit ab. Eindrucksvoll vermittelt das Spiel beinahe alle Inhalte visuell und spielmechanisch.

Das Spiel bietet sich für die Schulfächer Ethik, Geschichte bzw. Gesellschaftswissenschaften oder allgemein in der Erinnerungsarbeit an. Ein mindestens vierstündiger begleiteter Workshop mit der PC-Variante hat sich bei Schüler*innen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus bewährt.

Für den thematischen Einstieg lohnt es sich, vor der ersten Spielphase bei einem Blitzlicht oder in einer kurzen Gruppenarbeit verschiedene Formen von Diskriminierung bzw. gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu sammeln und zu diskutieren, bestenfalls mit Beispielen aus dem Alltag der Schüler*innen (Sexismus, Rassismus, Klassismus, body shaming usw.). Danach wird das Spiel allgemein vorgestellt, etwa mit Screenshots oder einem Game-Trailer. Wichtig ist, noch nicht den konkreten Bezug des Spiels zum Nationalsozialismus zu erwähnen, den die Schüler*innen beim Spielen selbst erkennen sollen. Eine spielbegleitende „Challenge“ könnte sein, im Spiel so viele „Erinnerungen“ wie möglich zu finden. Diese Objekte schalten historische Biografien und Zusatzinformationen frei, am Ende des Workshops wieder aufgegriffen werden können.

[Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=di18oL5oCic&t=25s&ab_channel=JugglerGames]

Gespielt wird zu zweit oder dritt. Schnell motiviert die Spielmechanik von „My Memory of Us“, sich teamübergreifend gegenseitig zu helfen. Spielerfahrene können etwa bei Minigames unterstützen, die Schnelligkeit und Geschicklichkeit erfordern, Logikbegabte dagegen bei kniffligen Rätseln. Das Spielen ist somit auch ein Sozialkompetenztraining.

Nach anderthalb bis zwei Stunden Spielzeit bietet es sich für die erste Reflexionsphase an, gemeinsam den folgenden „Let’s Play“-Ausschnitt aus dem 7. Kapitel „Ein farbenfroher Tag“ anzuschauen: In zwei der wichtigsten Spielmomente erleben die beiden Charaktere den Einmarsch der Roboterarmee und den Beginn der Diskriminierung der rotgefärbten Mitmenschen.

[Zusammenschnitt vom Projekt „Let’s Remember“, ansonsten https://www.youtube.com/watch?v=I0Bayjy68YE&t=808s&ab_channel=Yukari (Min 7:40-14:27)]

Die folgende Diskussion soll die Schüler*innen im Sinne der Medienkompetenz anregen, die Bezüge zum Nationalsozialismus im Spiel zu erkennen: An was erinnert die Symbolik des Roboter-Regimes? Für was steht die Farbe „Rot“? Wie und warum werden die „Roten“ ausgegrenzt? Hilfreich ist ein Vergleich mit historischen Fotos, die den Einmarsch der Wehrmacht in Polen und die Ausgrenzung der polnischen Jüdinnen und Juden etwa durch den im Oktober 1939 erstmals eingeführten Judenstern zeigen. „My Memory of Us“ verdeutlicht beispielsweise die Folgen der „Rotfärbung“: Anders als in den ersten Kapiteln darf das Mädchen in ihrer Heimatstadt nun nicht mehr das Café besuchen oder mit der Straßenbahn fahren – später wird sie mit den anderen „Roten“ in ein Ghetto deportiert. Hier kann wiederum eine zentrale popkulturelle Anleihe gegenübergestellt werden: das ikonische Mädchen im roten Mantel, das im Film „Schindlers Liste“ bei der Räumung des Krakauer Ghettos umherirrt.

Nach einer weiteren Spielphase bietet die zweite und letzte Reflexionsrunde die Gelegenheit, die „Challenge“ auszuwerten und über die im Menü freigeschalteten „Erinnerungen“ zu sprechen. Sie zeigen einerseits Schicksale von NS-Opfern, aber auch Biographien von Widerstandskämpfern und Frauen in der polnischen Armee.

Um am Ende die Diskussion auf das Thema Täterschaft zu lenken, kann gefragt werden: Wie gelungen ist die Darstellung der deutschen Soldaten als Roboter? Aus geschichtswissenschaftlicher und erinnerungskultureller Sicht stellt dies wohl das größte Problem bei dem sonst so gelungenen Spiel dar: Zwar ist die Verfremdung nachvollziehbar, weil „My Memory of Us“ jüngere Zielgruppen ansprechen will. Gleichzeitig schreibt die Darstellung mit programmierten, willenlosen Robotern den Mythos des „Befehlsnotstandes“ fort, mit dem tausende Wehrmachtssoldaten und SS-Angehörige nach 1945 ihre Verbrechen legitimiert haben. Hier gilt es hervorzuheben: Im Gegensatz zu den Robotern im Spiel konnten die Befehlsempfänger*innen im Nationalsozialismus durchaus entscheiden, ob sie verbrecherische Befehle befolgten oder verweigerten.

ÜBER DEN AUTOR:

Jakob Saß ist Historiker in Berlin und Potsdam. Er forscht zur NS-Geschichte, zu Rechtsextremismus nach 1945 und Geschichtsdarstellungen in digitalen Spielen. Als „Public Historian“ hat er im Auftrag der Stiftung Digitale Spielekultur die Fortbildung „Let’s Remember! Erinnerungskultur mit Games vor Ort“ an unterschiedlichen Gedenkorten geleitet. Er bietet zudem Workshops zur historisch-politischen Bildung mit digitalen Spielen für Schüler*innen, Lehrkräfte und andere Interessierte an. Kontakt: HistoryGamesLab@Berlin.de

Trailer

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