3×3 nachgefragt zu „Auswärtsspiel” – Teil 1
Mit dem vom Auswärtigen Amt geförderten Projekt „Auswärtsspiel” gehen wir den Fragen nach, welches Potenzial digitale Spiele für die Vermittlung von außenpolitischen Themenkomplexen besitzen und wie man Interessierte für außenpolitische Bilder und Narrative in Games sensibilisieren kann. Am 2. Dezember 2022 tagte unser interdisziplinäres Expert*innen-Gremium, um für diese hochaktuelle Schnittstelle einen Katalog mit Leitfragen zu entwickeln, der in Kürze auch auf dieser Website veröffentlicht wird.
In Vorbereitung darauf haben wir drei Mitgliedern des Expert*innen-Gremiums, nämlich
- Prof. Mareike Ottrand, Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg (HAW) und Mitgründerin des Game-Studios Fizbin,
- Prof. Dr. Thomas Risse, Seniorprofessor am Exzellenz-Cluster „Contestations of the Liberal Script“ (SCRIPTS) an der Freien Universität Berlin und
- Franziska Zeiner, Mitbegründerin des Spielestudios „Fein Games”
jeweils drei Fragen zur Schnittstelle von Games und Außenpolitik gestellt. Während sich die erste Frage gemäß der Tätigkeit der interviewten Expert*innen unterschied, waren die zweite und dritte Frage für alle identisch. Hier sind ihre Antworten:
Frage 1 an Mareike Ottrand: Als Professorin an der HAW Hamburg unterrichtest Du angehende Game Designer*innen und Entwickler*innen. Welche Themen sind in Deinen Augen aktuell für Games und deren Entwicklung besonders wichtig?
Mareike Ottrand: Games sind immer auch ein Abbild der Themen, die uns als Gesellschaft beschäftigen. Dementsprechend werden neben den klassischen Narrativen des Storytelling zusätzlich Fragen zum Umgang mit unserer Klimakrise, Genderthemen und zu den Kriegen dieser Welt, die uns besonders nahe gerückt sind, aufgegriffen. Diese Themen kommen initial von den Studierenden. Als Lehrende verstehe ich es als meine Aufgabe, die Studierenden zu ermutigen, sich diesen Themen auch in einem Medium, welches sich primär der Unterhaltung verschrieben hat, zu widmen.
Frage 1 an Thomas Risse: Als Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen haben Sie über Jahrzehnte zu Sicherheits- und Außenpolitik geforscht. Welche Themen sind in Ihren Augen aktuell für die deutsche wie für die europäische Außenpolitik besonders wichtig?
Thomas Risse: Der nach der russischen Aggression gegen die Ukraine von Kanzler Scholz eingeführte Begriff „Zeitenwende“ erfordert eine grundlegende Neu-Ausrichtung der deutschen Außenpolitik im europäischen Verbund. Viel zu lange hat man sich in Bezug auf Russland (und teilweise auch China) Illusionen hingegeben (Stichwort „Wandel durch Handel“). Gleichzeitig hat man in Europa geglaubt, die Vorkehrungen für die europäische Sicherheit, aber auch die Verantwortung für eine regelgeleitete internationale Ordnung den USA überlassen zu können. Diese Gewissheiten der letzten Jahre gehören allesamt auf den Prüfstand. Gleichzeitig sind wir mit globalen Problemen wie dem Klimanotstand konfrontiert, der schneller voranschreitet als die mühsamen multilateralen Verhandlungsprozesse. Bei der Neuausrichtung der Außenpolitik ist schließlich zu bedenken, dass Staaten in der Außenpolitik heute nur noch eine Akteursgruppe unter vielen sind; Wirtschaftsunternehmen, Medien, zivilgesellschaftliche Organisationen und soziale Bewegungen nehmen ebenfalls am „Auswärtsspiel“ teil (vgl. auch das Stichwort „feministische Außenpolitik“).
Frage 1 an Franziska Zeiner: Als Spieleentwicklerin in Berlin bist du mitten in der deutschen Games-Branche unterwegs. Welche Themen sind in Deinen Augen aktuell in Games bzw. für Games besonders wichtig?
Franziska Zeiner: Nicht zuletzt der temporäre Antragsstop der Computerspieleförderung des Bundes, aber auch die angespannten finanziellen Märkte haben gezeigt, dass die staatliche Förderung von Games in Deutschland ein wichtiges Thema ist. Dabei geht es meiner Meinung nach nicht nur um die Verstetigung der aktuellen Förderung, sondern auch um eine Ausweitung auf steuerliche Anreize für große Unternehmen und ein Gründerstipendium für Startups.
Frage 2: “Auswärtsspiel” beschäftigt sich als Projekt mit der Schnittstelle von Außenpolitik und/mit digitalen Spielen. Welche Chance sehen Sie in dieser Schnittstelle?
Mareike Ottrand: In digitalen Spielen können wir uns ausprobieren: unterschiedliche Avatare, Spielprinzipien und Systeme austesten. Neben diesem Sandkasten der Möglichkeiten, die uns auch mal ermöglichen in unterschiedliche Konflikte jenseits unserer Heimat und unserer Zeit einzutauchen, können sie auch ein Moralkompass sein, der uns vermittelt was richtig und was falsch ist. Hier an dieser Schnittstelle haben Games die Möglichkeit außenpolitische Prinzipien zu vermitteln und über Diplomatie zu lehren.
Thomas Risse: Digitale Spiele bieten vor allem die Möglichkeit, unsere Vorstellungen von Außenpolitik und internationalen Beziehungen zu hinterfragen: Welche Akteure „machen“ heute eigentlich Außenpolitik (Abkehr vom staatszentrierten Bild der Außenpolitik)? Welche Rolle spielen Werte und Normen in der Außenpolitik, was sind „nationale Interessen,“ und wie wirken innenpolitische Prozesse und Akteure auf die Außenpolitik? Wie „handeln“ außenpolitische Akteure? (geht es vor allem darum, die eigenen Interessen/Maßstäbe durchzusetzen und im „Auswärtsspiel“ zu gewinnen? Welche Rolle spielen Kooperation und die Orientierung an der Bewältigung globaler Probleme wie dem Klimawandel?) Wer sind die „Betroffenen“ von Außenpolitik (z.B. marginalisierte Gruppen, Migrant*innen usw.)? Wie soll man mit der Komplexität außenpolitischer Themen umgehen (Beispiele: die internationalen Dimensionen von Covid-19; Klima-Außenpolitik usw.)?
Franziska Zeiner: Die größte Chance liegt für mich im Austausch zweier auf den ersten Blick sehr unterschiedlicher Themenfelder. Schaut man genauer hin, entdeckt man jedoch einige Gemeinsamkeiten. Sowohl die Außenpolitik als auch der Aufbau von Spielen sind regelbasiert. Beide funktionieren nur, wenn sich alle an die Regeln halten.
Frage 3: Was kann der Leitfragen-Katalog von “Auswärtsspiel” in Ihren Augen dazu leisten?
Mareike Ottrand: Aufklärung, hoffentlich. Ich hoffe das die Themen, die wir dort erarbeiten werden, interessant für viele Spieleentwickler*Innen sind und zum Nachdenken und Hinterfragen anregen.
Thomas Risse: Der Leitfragen-Katalog von „Auswärtsspiel“ sollte dazu dienen, sowohl Spiele-Entwicklern wie -Nutzern vor Augen zu führen, dass Algorithmen nicht „politisch unschuldig“ sind, sondern dass sie auf bestimmten Vorstellungen davon beruhen, wer die relevanten „Spieler*innen“ in der Außenpolitik sind, welchen Handlungsorientierungen sie folgen und wie die Komplexität außenpolitischer Probleme so abgebildet werden kann, dass der Spaß am Spiel dabei nicht verloren geht.
Franziska Zeiner: Der Leitfragen-Katalog von „Auswärtsspiel” dient für mich als Denkanstoß, sich mit dem jeweils anderen Themenfeld zu beschäftigen.