#GamerGate – Schlammschlacht oder kultureller Umbruch?
Ursachen
Mit der wachsenden Heterogenität der Spielkultur, verändern sich die Themen sowie die gesellschaftliche Thematisierung von Computerspielen. Neben rein technischen oder spielerischen Aspekten, kreisen aktuelle Diskurse beispielsweise um Rassismus, Homosexualität und Sexismus in Games und Gaming-Communities. Ein »harter Kern« der Spielenden reagiert zunehmend aggressiv auf diese Fortschritte, die ihre bislang exklusive Definitionsmacht über die Inhalte von Computerspielen bedroht.
Zu einer Eskalation führte diese Entwicklung durch die 2012 erfolgreich crowdfinanzierte und 2013 gestartete Videoserie »Tropes vs Women in Video Games« der Medienkritikerin Anita Sarkeesian, die sich mit der sexistischen Darstellung von Frauen auseinandersetzt. Beleidigungen sowie Morddrohungen durch Spielende sind bis heute die Folge. Zu weiterer Eskalation führte der mutmaßliche Bruch journalistischer Ethik durch einen Journalisten des Gaming-Blogs Kotaku, der mit einer Spielentwicklerin positive Berichterstattung gegen Sex getauscht haben soll. Dieser, durch den ehemaligen Partner der Designerin im August 2014 lancierte Vorwurf ist widerlegt, wird von vielen Spielenden aber weiterhin als Tatsache behandelt. Journalistisch wurde auf die Morddrohungen gegenüber der Spielentwicklerin mit Texten reagiert, die sich mit der fundamentalistischen »Gamer«-Identität beschäftigen. Angesichts der Heterogenität der Spielenden, sei es nicht mehr sinnvoll, von der homogenen (und meist männlichen) Gruppe der »Gamer« zu sprechen, so das allgemeine Urteil. Computerspiele gehören nun allen, die spielen. »Gamers are over« wird dabei von den Spielenden, die sich durch diese Artikel persönlich betroffen fühlen, als Todeserklärung und weiterer Beweis eines ethisch korrumpierten Spielejournalismus interpretiert. Angelehnt an den Watergate-Skandal, hat sich der Protest gegen die gefühlte Verschwörung unter dem Hashtag #GamerGate auf Twitter und anderen Webseiten wie 8Chan oder Reddit zusammengefunden.
Ziele
Da die Verwendung des Hashtags nicht zentral organisiert werden kann und meist anonym erfolgt, lässt sich weder die genaue Zusammensetzung der Gruppe noch ihre offiziellen Ziele genau bestimmen. Mehrere Narrative tauchen jedoch immer wieder auf und können als verbindliche Zielstellungen angesehen werden. So ist der Kampf gegen unethische Praktiken im Spielejournalismus ein wiederkehrendes Thema. Konkrete Aktionen, wie etwa Boykotte oder Drohungen, richten sich dabei jedoch auffällig oft gegen Frauen. Eng damit verbunden ist die wiederholte Forderung, Computerspiele aus gesellschaftlichen und politischen Diskursen herauszuhalten. Schließlich handele es sich nur um Spiele, ohne ernste Bedeutung.
Beide Zielstellungen zeigen deutliche Überschneidungen, da der Spielejournalismus insbesondere dort durch #GamerGate als korrupt wahrgenommen wird, wo er Games im Kontext gesellschaftlicher und politischer Diskurse thematisiert. Dem liegt die verschwörungsideologische Vorstellung zugrunde, dass eine einflussreiche Allianz aus Journalismus, Feminismus und so genannten »Social Justice Warriors« (in etwa »Gutmenschen«) an der unbegründeten Zerstörung eines an sich schon für alle Menschen idealen Status Quo der Spielkultur arbeitet. Gerade in der öffentlichen Wahrnehmung erscheint #GamerGate jedoch zunehmend als destruktive Kraft, die kritische, progressive und insbesondere weibliche Stimmen aggressiv zu unterdrücken versucht.
Probleme
Seit den Anfängen der Bewegung, ist es den Anhängern von #GamerGate nicht gelungen, sich von den sexistischen und misogynen Attacken auf Anita Sarkeesian und andere Journalist*innen, Kritiker*innen und Entwickler*innenerfolgreich zu distanzieren. Selbst dort, wo intern gegen verbale Attacken vorgegangen wird, steht die öffentliche Außenwirkung im Mittelpunkt und nicht das Interesse an einem gleichberechtigtem Diskurs. Dieser wird insbesondere durch die verschwörungsideologischen Argumentationsmuster innerhalb von #GamerGate nahezu unmöglich gemacht.
In der intern produzierten Propaganda zeigt sich etwa eine fragwürdige Mischung aus offen sexistischer, antisemitischer und kriegerischer Ideologie. Erschwerend kommt hinzu, dass Mitglieder von #GamerGate in Diskussionen meist anonym auftreten, hochgradig rhetorisch agieren, persönlich angreifen und bedrängen, Argumente fehlinterpretieren und grundlegende Unkenntnis über die Arbeitsweise von Journalismus sowie die Theorien und Standpunkte des modernen Feminismus beweisen. Statt Aufklärung über »Gamer« schaffen sie damit insbesondere für Frauen und gesellschaftliche Minderheiten eine unsichere und von Angst geprägte Atmosphäre in der Gaming-Community.
Fazit
#GamerGate ist Symptom kultureller Umbrüche und steigender gesellschaftlicher Relevanz von Spielen sowie Zeichen der Abspaltung eines fundamentalistischen Teils der Spielenden in eine subkulturelle Nische. Wie andere Kulturen auch, muss die Spielkultur erst noch pragmatische Lösungen für den Umgang mit ihren problematischen Elementen finden.
Mehr zum Thema:
Branchenweite Kontroverse – Worum geht’s bei #GamerGate? (GameStar+ bzw. GameStar Ausgabe 10/2014)
Wenn Kritik kommt, hört das Spiel auf (faz.de)
Wie die Gameskultur erwachsen wird (Bayerischer Rundfunk PULS)
#GamerGate: Spieler-Revolution oder Rückzug ins Ghetto? (derStandard.at)
Christian Huberts ist Kultur- und Medienwissenschaftler und widmet sich u.a. der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit digitalen Spielen.