Kultur

Game Mixer 2016: Brasilien

© Goethe Institut Indonesien

Was passiert, wenn man 30 Spieleentwickler 36 Stunden lang sich selbst überlässt? Es entstehen großartige Spiele. Der Game Jam bildete den Höhepunkt des achttägigen Programms Game Mixer, zu dem zehn brasilianische und zehn deutsche Spieleentwicklerinnen und Spieleentwickler von unabhängigen Spielestudios auf Einladung des Goethe-Instituts in São Paulo zusammenkamen.

Im Auditorium des Goethe-Instituts São Paulo herrscht konzentrierte Stille. In sieben Gruppen arbeiten hier 30 Spieleentwicklerinnen und Spieleentwickler aus Brasilien und Deutschland seit zwei Tagen zusammen und entwickeln Computerspiele zum Thema „Synchronicity“. Geschlafen wird, wenn überhaupt, auf Matratzen.

Schwindende Konzentration wird mit Kaffee und den in Brasilien beliebten Pão de Queijo wiederbelebt. So realisieren die deutsch-brasilianischen Entwicklerteams innerhalb kürzester Zeit ganz unterschiedliche Spielideen: von Voodoo-Schrumpfköpfen, die von jeweils zwei Spielenden möglichst ausbalanciert auf einer Waage zu platzieren sind, über eine Tanzsimulation, bei der man besser nicht aus der Reihe tanzt, bis hin zum deutsch-brasilianischen Therapy Soccer.

Spielen, um den Mineiraço zu verarbeiten

Die Idee: Eine Deutsche und ein Brasilianer stecken zusammen in einem übergroßen Trikot fest und müssen den Ball gemeinsam übers Spielfeld ins Tor bugsieren – und dabei Hindernissen wie FKK-Flitzern, Sambatänzerinnen und Blaskapellen ausweichen. „Es hat großen Spaß gemacht, absichtlich möglichst viele jener Klischees in das Spiel einzubauen, die wir voneinander haben“, erklärt Mitentwicklerin Ina Göring. „Auf der persönlichen Ebene fanden wir unsere Stereotypen von der jeweils anderen Kultur dann aber erstaunlich wenig bestätigt.“

Alle Teilnehmenden haben bereits eigene Spiele veröffentlicht und befinden sich in einer Phase, in der sie besonders von internationalen Kontakten und dem Austausch mit anderen Studios profitieren können. Die deutschen Teilnehmenden sind Gewinner und Nominierte des Deutschen Computerspielpreises, der einmal jährlich mit Unterstützung der Stiftung Digitale Spielekultur von den Branchenverbänden BIU und GAME und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vergeben wird. Die brasilianischen Teilnehmenden wurden aus landesweiten Bewerbungen von einer Jury aus Vertretern der brasilianischen Spieleindustrie ausgewählt. Brasilien gehört immerhin zu den zehn größten Märkten der Spieleindustrie weltweit.

Erst Müller, dann Klose, dann zweimal Kroos, Khedira und zweimal Schürrle – schlimmer konnte es für die brasilianische Fußballnationalmannschaft nicht kommen, während in Deutschland gejubelt wurde. Das Geschicklichkeits-Minigame Therapy Soccer verspricht nichts Geringeres, als das noch nachwirkende 1:7-Trauma der Brasilianer aus dem Halbfinale der Fußball-WM 2014, den „Schock von Mineirão“, zu therapieren. „Wir haben überlegt, welches Thema sowohl deutsche als auch brasilianische Spielefans begeistert. Fußball funktioniert immer!“, sagt João Victor Rodrigues, der gemeinsam mit Ina Göring, Expertin für den Bereich Public Funding vom Medienboard Berlin-Brandenburg, und Luis Eduardo Lucats vom brasilianischen Studio 44 Toons den Prototypen entwickelte.

„Extrem wertvoller Austausch“

„Es ist großartig, sich so intensiv mit anderen Entwicklern aus Deutschland und Brasilien austauschen zu können”, sagt Luiggi Refatti vom Studio Fira Soft am Rande des zweitägigen Game Camps, das den Auftakt der Programmwoche bildete. Das Game Camp stand Interessierten aus ganz Brasilien offen und setzte auf ein offenes, partizipatives Format. Jeder der knapp 50 Teilnehmenden brachte Vorschläge für die je einstündigen Sessions ein. So entstand ein auf die Kenntnisse und Interessen der Teilnehmenden ausgerichtetes Programm. Organisiert wurde das Game Camp mit Unterstützung der bayerischen Spiele-Dachmarke Games/Bavaria. Diskutiert wurde unter anderem, wie man als Start-up in der brasilianischen und der deutschen Spieleindustrie überlebt, woraus Spieleentwickler ihre Inspiration ziehen und wie man kollaborativ ein Spiel entwickelt. Auch Linda Kruse vom Kölner Studio The Good Evil überzeugte das Format: „Als unabhängige Studios stehen wir in Brasilien und Deutschland vor ganz ähnlichen Herausforderungen, etwa, was Projektfinanzierung und Sichtbarkeit auf dem globalen Markt angeht. Da entwickelt jeder seine eigenen Strategien. Das macht den Austausch hier extrem wertvoll.”

Aus Eins zu Sieben wird Eins zu Eins

Gespielt wurde natürlich auch während des Game Mixers. Der Andrang auf den Showcase in der Universidade Anhembi-Morumbi war riesig, gekommen waren vor allem Studierende des Studiengangs Game Design. Katharina von Ruckteschell-Katte, Leiterin des Goethe-Instituts São Paulo und Regionalleiterin Südamerika, sieht die Ziele des Programms verwirklicht: „Die Grundidee des Game Mixer 2016 in São Paulo, die Vernetzung brasilianischer und deutscher Gamestudios, ist in den acht intensiven und anregenden Programmtagen mit großem Erfolg gelungen. Wir freuen uns sehr, dass der Game Mixer im Rahmen der Förderung von Kreativwirtschaft durch das Auswärtige Amt realisiert werden konnte. Er motiviert uns, im Bereich Gaming noch intensiver und vor allem nachhaltig aktiv zu werden.“

Das therapeutische Fußballspiel aus dem Game Jam könnte das Goethe-Institut in Brasilien künftig in seiner kultur- und sprachvermittelnden Arbeit einsetzen – trotz oder vielleicht sogar wegen der vielen Klischees. Es zeigt, wie aus einer 1:7-Niederlage ein gelungener Austausch wird, aus einem sportlichen Gegeneinander ein kreatives Miteinander. Auch wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft in Brasilien Weltmeister wurde: Der Game Mixer geht immer 1:1 aus.

© Goethe-Institut Indonesien / Ramos Pane

Game Mixer 2016 São Paulo

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