„Ich habe in diesem Spiel keinen Reiz gefunden, da nichts wirklich passiert”

Autor*in
Philippe Wampfler
Ursprünglich veröffentlicht am
02.03.2017

Die Lektüre von Sunset im gymnasialen Deutsch­unterricht im Vergleich mit Jenny Erpen­becks Erzählung Wörterbuch

Das narrative Computerspiel Sunset ist ein geeigneter Kandidat für einen digitalen Text, der im gymnasialen Deutschunterricht ab der 10. Klasse erschlossen werden kann. In der Reflexion eines konkreten didaktischen Settings liefert der Artikel Argumente dafür, bei der Werteerziehung mit Computerspielen zu arbeiten. Im Mittelpunkt steht dabei die Möglichkeit, in der Spielhandlung Entscheidungen zu treffen, die einen wichtigen Freiraum schafft, um subjektive Wertehaltungen zu erkennen und zu erproben.

In einer Diskussion von Sunset wird sichtbar, dass die dort möglichen Entscheidungen den Spielverlauf kaum beeinflussen, sondern lediglich einen Einfluss auf das Spielerleben haben. Das kann mit der Dramaturgie und der Aussage des Spiels schlüssig begründet werden, stellt aber eine Herausforderung für die Schüler*innen einerseits, für die Werteerziehung andererseits dar. Deshalb plädiert der Beitrag dafür, die Arbeit an einem literarischen Text mit der Analyse eines Computerspiels zu koppeln. Sunset wird durch Jenny Erpenbecks Erzählung Wörterbuch ideal ergänzt, weil das Setting der Narrationen und die darauf eingenommene Perspektive weitgehend übereinstimmen, in Bezug auf die Struktur der Erzählung und ihren Sinnhorizont jedoch wesentliche Unterschiede bestehen. So kann Wörterbuch als eine rückblickende Parabel gelesen werden, welche das Ende der DDR und die Wiedervereinigung thematisiert, während Sunset in einer Metareflexion die Spielenden durch die Steuerung der immigrierten Hausangestellten Angela Burnes während eines Bürger­kriegs zum Bewusstsein führt, dass sie selbst am Computerbildschirm ebenfalls in einer repetitiven, scheinbar sinnlosen Tätigkeit gefangen sind und an den wesentlichen Vorgängen der Welt nur mittelbar teilhaben.

Der Beitrag findet sich in voller Länger hier sowie im Materialteil.

Bild: Sunset, Tale of Tales 2015.


Philippe Wampfler unterrichtet an der Kantonsschule Wettingen (Schweiz) Deutsch, Philosophie sowie das neue Fach »Die digitalisierte Gesellschaft und ihre Medien«. und ist Autor (u.a. „Digitaler Deutschunterricht
Neue Medien produktiv einsetzen“). An der Universität Zürich ist er Dozent für Fachdidaktik Deutsch.