The Light in the Darkness

Im Serious Point & Click-Spiel The Light in the Darkness erleben die Spieler*innen die Geschichte von Samuel und seinen Eltern, einer polnisch-jüdischen Familie, die der Verfolgung im Vichy-Regime zum Opfer fällt. Die dialogdominierte Handlung wird dabei durch Originaldokumente und Videosequenzen angereichert, was ein Serious Gaming von The Light in the Darkness motiviert.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Voices of the Forgotten (USA)
  • Publisher: Arcade Distillery
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Genre: Point-and-click, Serious Game
  • Thema: Antisemitismus, Flucht und Migration, Holocaust, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Gering
  • Komplexität Mittel
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Juliane Lippok

Dr. Juliane Lippok studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Zurzeit ist sie für Bildung und Vermittlung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg verantwortlich. Privat und freiberuflich beschäftigt sie sich mit Video Games.

Im Mittelpunkt von The Light in the Darkness steht eine polnisch-jüdische Familie in Frankreich. Die Mutter Bluma, der Vater Moses und ihr Sohn Samuel werden Opfer der Judenverfolgung im Vichy-Regime. Die Handlung setzt 1939 vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in Europa ein und endet 1942 mit Samuels Deportation nach Ausschwitz. Während des Spiels steuern wir abwechselnd Samuel, Bluma, Moses und ihre Freund*innen Marie und Bernard aus der Third-Person-Perspektive mit fester Kameraeinstellung. Es handelt sich eher um einen in mehrere, kurze Kapitel geteilten interaktiven Film als um ein Spiel. An festgelegten Interaktionspunkten triggern wir Handlungen oder Dialoge, die nur selten Antwortoptionen umfassen. Einfache Mini-Spiele sorgen für etwas Abwechslung. Auch Originaldokumente und Videosequenzen, die zum Teil mit Textkommentaren versehen sind, wurden in das Spiel eingebettet. The Light in the Darkness ist laut Epic-Games-Store im Early Access, die unfertig wirkende Spielewelt und die ungenaue Steuerung werden daher möglicherweise noch überarbeitet.

Video-Kurzreview

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erinnerungskulturelle Bedeutung

The Light in the Darkness beschäftigt sich mit dem Holocaust. Schon thematisch ist das Spiel damit selbst im Bereich der Serious Games außergewöhnlich. Das ist umso bemerkenswerter, da die Gefahr besteht, dass die Erinnerung an den Holocaust angesichts der wenigen noch lebenden Zeitzeug*innen verloren geht. Darüber hinaus wählt der Game Director Luc Bernard, indem er das Schicksal von Jüd*innen im Vichy-Regime Frankreichs beleuchtet, eine innerhalb der deutschen Erinnerungskultur marginalisierte Perspektive. Außerdem kommen Vertreter*innen unterschiedlicher jüdischer Gemeinschaften zu Wort. So erfahren wir, dass Bernard ursprünglich Masoud hieß und aus dem ehemals französisch- kolonialisierten Algerien nach Frankreich ausgewandert ist. Er gehörte damit zu den sephardischen Juden, die sich nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung von der iberischen Halbinsel Ende des 15. Jh. in den Maghreb-Ländern niederließen. Samuels Familie dagegen stammt aus Polen, wo seine Großeltern die Auswirkungen der NS-Judenverfolgung und des nationalsozialistischen Terrors früh zu spüren bekommen, wie wir aus Briefen erfahren. Das Spiel reißt verschiedene Themen an, zu denen auch die stereotype Darstellung von Juden in Märchen und das Konvertieren von Juden zum Christentum gehören. Ziel ist es nicht nur die historischen Ereignisse zu vermitteln, sondern auch Empathie, insbesondere für die im Holocaust ermordeten Kinder, zu wecken.

Diskussionspunkte

The Light in the Darkness basiert auf dem viel diskutierten und nicht realisierten Vorgängerprojekt „Imagination is the only Escape“. Befürchtet wurde eine Verharmlosung des Holocaust, da Spiele traditionell mit Spaß und einem Happy End bzw. dem Gewinnen des Spiels in Verbindung gebracht werden. Auch Befürchtungen, es könne sich um eine Holocaust-Simulation handeln, wurden laut. Luc Bernard hat diese Befürchtungen ernst genommen und nach eigener Aussage auch vermehrt mit Zeitzeug*innen zusammengearbeitet. Da die Geschichte in The Light in the Darkness mit der Deportation der Familie nach Ausschwitz endet, werden die Vernichtungslager kein Ort der Spielhandlung. Ebenso sind im Spiel keine Entscheidungen möglich, um die Ohnmacht der Menschen angesichts der zunehmenden Ausgrenzung und Verfolgung erfahrbar zu machen. Das Spiel wurde aufgrund der Neuartigkeit des Zugangs zum Thema Holocaust und der erinnerungskulturellen Bedeutung im angloamerikanischen Sprachraum auch außerhalb der Games-Branche sehr positiv bewertet. Allerdings fand die Spielerfahrung selbst wenig Beachtung. Die von Bernard geschaffene Spielwelt wirkt in Verbindung mit der einfachen Spielmechanik mitunter eindimensional. Während beispielsweise die VR-Experience Anne Frank House VR auch für Spieler*innen interessant ist, da sie das Versteck von Anne Frank erkunden und anhand von gefundenen Dokumenten die Ereignisse nachzuvollziehen können, ist dies für die Spielerfahrung in The Light in the Darkness nicht gegeben – Denn es gibt in der Spielewelt von The Light in the Darkness nichts zu entdecken. Damit wirft das Spiel dieselbe Frage auf, wie auch das von Bernard 2003 begründete Holocaust Museum in Fortnite, nämlich inwieweit die Interaktivität des Mediums in Games realisiert werden kann, die die Massenverbrechen der Nationalsozialist*innen inszenieren.

Einsatzmöglichkeiten

The Light in the Darkness ist für den pädagogischen Einsatz konzipiert und thematisch sehr gut dafür geeignet. Die Inhalte sind zwar nicht ohne jegliches Vorwissen zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust verständlich, werden aber niedrigschwellig aufbereitet. Die Charaktere bleiben insgesamt etwas blass und schablonenhaft, ihr Schicksal ist dennoch bewegend. Insbesondere, wenn im Abspann die Fotos der Kinder, die ein ähnliches Schicksal wie Samuel erlitten haben, eingeblendet werden, begreifen die Spielenden auch auf emotionaler Ebene den Realitätsbezug des Spielgeschehens. The Light in the Darkness ist auf English, Französisch und Arabisch verfügbar. Die eingeblendeten, meist mit Textkommentaren versehenen Originaldokumente, vertiefen das Verstehen des Spielgeschehens. So ergeben sich theoretisch gute Anknüpfungspunkte für den schulischen Einsatz im Fach Geschichte oder auch im Fremdsprachenunterricht. Allerdings ist das Spiel erst ab 18 Jahren freigegeben. Dadurch ist der Einsatz in der Schule weitestgehend ausgeschlossen. Auch Museen und Gedenkstätten können das Spiel nicht in öffentlich zugänglichen Bereichen zeigen. Die Einstufung basiert vermutlich auf der automatisierten IARC Bewertung, die der Epic Games Store vornimmt. Das ist schade, da auch die kurze Spieldauer (unter 2h) und die kostenlose Bereitstellung die Verwendung in Bildungskontexten begünstigen, auch wenn die Verfügbarkeit nur für PS5 und leistungsstarke PCs eine gewisse Einschränkung bedeutet. Kurze Zusammenschnitte des Spiels können genutzt werden, wenn Zeit und technische Möglichkeiten einen vollständigen Spieldurchlauf nicht zulassen.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Lippok, Juliane. „The Light in the Darkness“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 14. 03. 2024 [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Projekts "Let's Remember! Erinnerungskultur mit Games vor Ort" in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.