Life is Strange 2
In Life is Strange 2 verfolgen die Spieler*innen die Geschichte der US-mexikanischen Brüder Sean und Daniel Diaz, die mit ihrem Vater in einem Vorort von Seattle leben, allerdings nach einem tödlichen Zwischenfall mit der Polizei fliehen müssen. Ein Kernelement des Spiels sind individuelle, oft von moralischen Erwägungen geprägte Handlungsentscheidungen der Spieler*innen, die den Verlauf der Handlung maßgeblich beeinflussen.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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In Life is Strange 2 verfolgen die Spieler*innen die Geschichte der US-mexikanischen Brüder Sean und Daniel Diaz, die mit ihrem Vater in einem Vorort von Seattle leben, allerdings nach einem tödlichen Zwischenfall mit der Polizei fliehen müssen.
Nach einem Prolog wird die Handlung in fünf Episoden weitererzählt. Die Spieler*innen verfolgen die Brüder bei ihrer gemeinsamen Flucht nach Mexiko quer durch die USA. Aufgrund ihrer mexikanischen Abstammung hoffen sie, dort ein neues Leben beginnen zu können. Während der Reise stellt sich außerdem heraus, dass Daniel telekinetische Kräfte entwickelt hat, mit welchen er unter anderem Objekte schweben lassen oder Explosionen verursachen kann.
Ein Kernelement des Spiels sind individuelle, oft von moralischen Erwägungen geprägte Handlungsentscheidungen der Spieler*innen, die den Verlauf der Handlung maßgeblich beeinflussen. Diese Wahlmöglichkeiten reichen von simplen Dialogoptionen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und beeinflussen die Beziehung von Sean und Daniel untereinander sowie zu anderen Charakteren.
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Die Diskriminierungserfahrungen der Hauptcharaktere stehen im Fokus der von der Trump-Präsidentschaft deutlich geprägten, zeitgeschichtlichen Handlung von Life is Strange 2. Vermittelt durch die mexikanische Migrationsgeschichte der Diaz-Brüder, erleben die Spieler*innen die Spannungen der US-amerikanischen Gesellschaft sowie Anfeindungen gegenüber rassifizierten Mitbürger*innen. So wird Sean mit der Aussage konfrontiert: „Du bist der Grund, dass wir die Mauer bauen“. Ebenso kommt es immer wieder zu physischen Auseinandersetzungen und Demütigungen aufgrund der angenommenen Herkunft von Sean und Daniel. Beispielsweise werden die Brüder an der errichteten Grenzmauer zu Mexiko von Privatmilizen angegriffen, weil sie für illegale Einwanderer gehalten werden. Dabei bricht das Spiel in interessanter Weise mit typischen Flucht-Narrativen, denn Sean und Daniel flüchten nicht in die vermeintlich offene Einwanderungsgesellschaft der USA, sondern versuchen einer strukturell rassistischen Gesellschaft zu entkommen. Dabei vermeidet Life is Strange 2 jedoch direkte, namentliche Bezüge zu US-Persönlichkeiten und realen Opfern rassistischer (Polizei-)Gewalttaten in den USA.
Life is Strange 2 hebt sich damit auch vom Vorgängertitel der Spielreihe ab, welcher eine „Coming of Age“-Geschichte in den Vordergrund stellt und Probleme wie Depressionen, Mobbing und sexuelle Orientierung behandelt. Zudem unterscheiden sich auch das Setting und die spielbaren Charaktere, wodurch Life is Strange 2 ohne Vorkenntnisse gespielt werden kann. Außer weniger oberflächlicher Verweise verpassen die Spieler*innen keine wichtigen Aspekte der Handlung. Der 2021 erschienene Nachfolger Life is Strange: True Colors erzählt ebenfalls eine eigenständige Geschichte und stellt eine US-asiatische Protagonistin in das Zentrum der Handlung.
Diskussionspunkte
Videospielen wird regelmäßig nachgesagt, dass sie als Unterhaltungsmedium politische Debatten eher vermeiden würden. Life is Strange 2 positioniert sich allerdings deutlich und formuliert dies auch über die Aussage eines Spielcharakters: „Alles ist politisch.“
Obwohl in Life is Strange 2 gesellschaftliche Konflikte, Fragen des Zusammenlebens und emotional inszenierte Dialoge im Mittelpunkt stehen, ist der Spielverlauf vergleichsweise minimalistisch und erlaubt so eine relativ ablenkungsfreie Reflexion der Themen des Spiels. Die Spieler*innen bewegen sich durch eng begrenzte Räume, interagieren mit Objekten und sprechen mit verschiedenen Charakteren.
Diese Verbindung von Spielverlauf und relevanten Themen Rassismus und Einwanderungspolitik in den USA, wurde von der Fachpresse überwiegend gelobt und als ein für das Medium relativ seltener und einzigartiger Zugang hervorgehoben. Eher selten wird hingegen die Meinung vertreten, dass die explizit politischen Aspekte von Life is Strange 2 und der reduzierte Spielverlauf die Handlungs- und Identifikationsmöglichkeiten der Spieler*innen zu sehr einschränken und daher im Sinne eines „unpolitischen“ Spiels hätten reduziert werden müssen. Die gesellschaftliche Spaltung einer USA in Zeiten von „Make America Great Again“ zeigt sich so auch in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Spiel. Auch das episodenhafte Erzählen des Spiels wird kritisiert, denn durch die großen Wartezeiten (oft viele Monate) und Zeitsprünge zwischen den Episoden wurde und wird den Spieler*innen der Zugang zu den Charakteren und Themen des Spiels erschwert.
Einsatzmöglichkeiten
Life is Strange 2 bietet sich im Rahmen verschiedener Lehrkontexte dafür an, um die Ursachen und Folgen von Rassismus, die Einwanderung oder Flucht in ein anderes Land sowie die damit einhergehenden Konflikte in Migrationsgesellschaften anhand einer involvierenden Spielhandlung zu thematisieren. Ebenso lässt sich die im Spiel formulierte Kritik am politischen System der USA in der Regierungszeit von Präsident Trump für eine zeitgeschichtliche Auseinandersetzung mit Autoritarismus, gesellschaftlicher Spaltung und Radikalisierung aufgreifen.
Aus diesem Grund muss von den Lehrenden jedoch hinreichender Kontext über historische und zeitgeschichtliche Einwanderungsbewegungen und -Politik, vor allem in die USA, bereitgestellt werden. Denn es besteht durchaus die Möglichkeit, dass persönliche negative Erfahrungen der Spieler*innen beim Thema Rassismus und Ausgrenzung im Rahmen der Behandlung des Spiels wieder aufgerufen werden und sensibel aufgefangen werden müssen.
Life is Strange 2 kann durch seinen episodischen Charakter auch in kürzeren Einheiten von zwei bis drei Stunden gespielt werden. Ebenso lassen sich einzelne Szenen nach dem ersten Durchspielen frei auswählen und als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung nutzen. Besonders wichtige Entscheidungen im Spiel werden am Ende jeder Episode noch einmal rekapituliert und prozentual mit anderen Spielenden weltweit verglichen. Das Spiel sollte idealerweise selbst gespielt werden, im Zweifelsfall lässt es sich jedoch auch in Form von Let’s Plays nachvollziehen, auch wenn hier keine eigenen Entscheidungen getroffen und unter den Lernenden verglichen werden können. Da Life is Strange 2 für viele aktuelle Plattformen zur Verfügung steht und vergleichsweise wenig Rechenleistung benötigt, sind die Lehrenden nicht geringfügig darin eingeschränkt, wie sie es zugänglich machen wollen.
Weiterführendes Material
- Oltmer, J. (2020). Migration: Geschichte und Zukunft der Gegenwart. bpb, Bundeszentrale für politische Bildung.
- Han, P. (2018). Theorien zur internationalen Migration: Ausgewählte interdisziplinäre Migrationstheorien und deren zentrale Aussagen. UVK Verlagsgesellschaft mbH.
- Castles, S., de, H. H. G., & Miller, M. J. (2014). The Age of Migration: International Population Movements in the Modern World. Palgrave Macmillan.
- Bandau, A., & Willers, S. (2009). Migration und soziale Konstruktion im Raum. In Pasando Fronteras: Transnationale und Transkulturelle Prozesse im Grenzraum Mexiko-USA (pp. 14–36). essay, Edition Tranvía.
- Weber, M. (2018, September 26). Life is Strange 2 – Ein Spiel über Donald Trumps Amerika. GameStar –Nr. 1 Magazin für PC-Spieler. Retrieved May 29, 2022
Zitierempfehlung
Wieczorek, Robin: Life is Strange 2. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 31.05.2022. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]
Förderer
Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Migration Lab Germany aus Mitteln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.