Spielcover: Path Out

Path Out

Das Adventure Game Path Out stellt Spieler*innen vor die Herausforderung, den Gefahren des Krieges in Syrien zu entkommen und über die Grenze zu flüchten. Der nach Deutschland Geflüchtete Jack Gutmann, auf dessen Biografie das Spiel dabei explizit Bezug nimmt, erscheint mehrfach im Spielverlauf in Form von Videobotschaften und kommentiert das Spielgeschehen, wodurch das Verhältnis von Spiel und realweltlicher Erfahrung selbst in de Fokus gerückt wird.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Causa Creations (Österreich)
  • Publisher: Causa Creations
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Genre: Adventure
  • Thema: 21. Jahrhundert, Flucht und Migration
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion, Kostenlos
  • Vermittlungspotenzial Hoch
  • Zeitaufwand Gering
  • Komplexität Gering
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Lorenz Prager

Lorenz Prager ist Universitätsassistent am Institut für Geschichte der Universität Wien und forscht zu Digitalen Spielen und Nationalsozialismus. Weitere Schwerpunkte: Geschichtsdidaktik, Geschichtskultur, Holocaust Education.

Das Adventure Path Out erzählt die Geschichte von Abdullah Karam, einem Jugendlichen, der aus Syrien in die Türkei flieht. Da Karam sowohl Protagonist als auch Entwickler des Spieles ist, kann man von einer Autobiographie in Form eines digitalen Spiels sprechen. Mit Ausnahme des ersten Abschnitts, der im Jahr 2011 angesiedelt ist, spielt sich die gesamte Handlung während des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2014 ab.          

Im Stil von frühen japanischen Rollenspielen wie Final Fantasy oder Pokémon bewegt man die Spielfigur aus der isometrischen Perspektive durch unterschiedliche Levels. Das Ziel des Spiels ist es, zu überleben und aus Syrien zu fliehen. Dazu muss man Aufträge erfüllen oder bestimmte Orte erreichen. Im Zuge dessen gilt es die Levels zu erkunden, Gegenstände zu sammeln, mit Nicht-Spieler-Charakteren zu reden und Gefahren wie Soldaten, IS-Kämpfern oder Minen auszuweichen. Kämpfe oder Waffengewalt stehen dabei nicht als Handlungsoptionen zur Verfügung. An bestimmten Punkten pausiert das Spiel und blendet eine Videobotschaft Abdullahs ein, der – ähnlich einem Let’s Play – das Spielgeschehen kommentiert. Diese Botschaften sollen den*die Spieler*in dazu anregen über das Spielgeschehen zu reflektieren.

Video-Kurzreview

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Das Spiel ist in doppelter Hinsicht von erinnerungskultureller Bedeutung. Erstens macht es Flucht als Adventure-Rollenspiel spielbar und vollzieht damit mutmaßlich für die meisten Spielenden einen Perspektivenwechsel. Nämlich vom Blick auf Geflüchtete zu einem, mittels des Medium Spiels vermittelten, Blick als Flüchtender. Zweitens ist das Spiel von Abdullah Karam selbst entwickelt, die Handlung dreht sich um seine Fluchtgeschichte und wird von ihm im Spiel selbst kommentiert. Pointiert kann aufgrund dieser Konstellation von prototypischer Zeitzeugenschaft via Gaming gesprochen werden. Auch wenn dies aufgrund der fehlenden geschichtswissenschaftlichen Kontextualisierung weit hergeholt ist, kann zumindest konstatiert werden, dass die Doppelrolle Karims als Protagonist und Entwickler dem Narrativ des Spiels besondere Glaubwürdigkeit verleiht.

Path Out ist nicht Teil einer Reihe, es kann jedoch in Bezug zu anderen Spielen, die Flucht thematisieren, wie beispielsweise Bury Me, My Love (Begrabe mich, mein Schatz), gesetzt werden. Im Unterschied zu Letzterem fokussiert es stärker auf die lineare Erzählung von Karams Geschichte als auf unterschiedliche Handlungsstränge und Fluchtrouten. Innerhalb eines breiteren Kontexts kann Path Out als Spiel, das eine andere Perspektive auf Krieg einnimmt, die nicht militärisch zentriert ist, eingeordnet werden. Hier können Vergleiche zu This War of Mine oder Valiant Hearts gezogen werden. Als Autobiographie in Form eines digitalen Spieles sticht es jedenfalls in Referenz zu den anderen genannten Titeln hervor.

 

Diskussionspunkte

Obwohl Path Out ein für einen Indie-Titel beachtliches Medienecho hervorrief, so gibt es beispielsweise einen Deutschlandfunk-Beitrag dazu, löste es keine größeren Kontroversen oder Debatten aus. Es gibt einige wenige kritische Rezensionen auf der Distributionsplattform Steam oder als Kommentare zu Artikeln zum Spiel, diese weisen jedoch keine substanzielle konstruktive Kritik auf. Sie lesen sich als ideologisch motivierte Statements in denen die Autor*innen ihre politische Position zum syrischen Bürgerkrieg oder zur sogenannten Flüchtlingskrise 2015 deutlich machen.

Einige wenige Kommentare gehen auf die Dissonanz zwischen dem Narrativ, das sich mit Krieg und Flucht befasst, und der audiovisuellen Ästhetik, die bunt und fröhlich wirkt, ein. Dieser Widerspruch zwischen Design und Inhalt ist, aus Sicht des Autors, nichts Problematisches im Sinne des Games oder seines didaktischen Potentials. Denn gerade die emotionale Distanz, die ein abstrakterer Grafikstil schafft, vereinfacht eine Reflexion über die Inhalte des Spiels, da diese nicht durch negative Affekte gestört bzw. verunmöglicht wird. Schließlich soll das Spiel einen reflektierten Perspektivenwechsel ermöglichen und dient nicht einer, längst nicht mehr zeitgemäßen, Schockpädagogik.

Einsatzmöglichkeiten

Path Out kann aufgrund der geringen Hardware-Anforderungen und des zeitlich relativ kurzen – 30 bis 45 Minuten – Spieldurchgangs im Unterricht gespielt werden, sofern Laptops oder Standgeräte in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Ein Plenarspiel wäre ebenfalls denkbar. Hierbei spielt ein*e Spieler*in und kommentiert das Spielgeschehen vor dem Plenum, das Beobachtungsaufgaben nachgeht, Fragen stellen kann etc. Zudem wurde im Juni 2022 zusammen mit der UN-Organisation für den Schutz von Geflüchteten UNHCR eine im Browser spielbare, leicht gekürzte und auf Deutsch übersetzte Version für den Schulunterricht entwickelt und mit Interviews, Begleitmaterial für die Unterrichtsgestaltung sowie Hilfestellung für Lehrkräfte flankiert. Die Vollversion von Path Out ist zwar nur auf Englisch verfügbar, aber relativ leicht verständlich und sollte etwa ab der sechsten oder siebten Schulstufe einsetzbar sein.

Auf inhaltlicher Ebene bietet das Spiel gute Ansatzpunkte für die Beschäftigung mit und das Nachvollziehen von Fluchtgeschichten im Sinne des bereits erwähnten Perspektivenwechsels. In Kombination mit dem Plenarspiel kann ein Spielprotokoll erstellt werden, in dem die Level als Etappen der Flucht mit bestimmten Aufgaben, Hindernissen, Gefahren und Lösungs- bzw. Überlebensstrategien festgehalten werden. In einer Reflexionsphase können diese in Bezug zu anderen Fluchtgeschichten oder Biographien gesetzt werden, um schließlich über die Darstellung in Form eines digitalen Spiels zu reflektieren. Hinsichtlich der Darstellung bietet sich eine Diskussion über die zuvor beschriebene Dissonanz zwischen Narration und audiovisueller Ästhetik an. Im Zuge derer die Schüler*innen mittels einer Sachanalyse, über ein Sachurteil zu einem Werturteil gelangen, ob die Form der Darstellung dem Inhalt gerecht wird. Ein Vergleich der Spiele Path Out und Begrabe mich, mein Schatz wäre ebenfalls denkbar, falls die zeitlichen Ressourcen dafür verfügbar sind.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Prager, Lorenz. „Path Out“. Datenbank Games und Erinnerungskultur.Stiftung Digitale Spielekultur, 31.05.2022. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Migration Lab Germany aus Mitteln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.