Deus Ex: Mankind Divided
Als Interpol-Agent Adam Jensen haben die Spieler*innen in Deus Ex: Mankind Divided in der nahen Zukunft im Jahr 2029 die Aufgabe, die Komplotte von geheimen Mächten und Geheimbünden aufzudecken und deren Weltherrschaft zu verhindern.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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In Deus Ex: Mankind Divided treten Spielende in die Rolle des Interpol-Agenten Adam Jensen, stationiert im Prag der nahen Zukunft von 2029. Wie auch in den Vorgängern – Mankind Divided ist der fünfte Teil einer 2000 durch Deus Ex begründeten Reihe – schöpft die Story des Spiels aus einem Sammelsurium an Verschwörungstheorien: Nichts ist, wie es oberflächlich erscheint, denn im Verborgenen ziehen mächtige Kabale und Geheimbünde an den Strippen von Regierungen und Konzernen, selbstverständlich immer mit dem Ziel der Weltherrschaft im Blick. Diese aufzudecken und ihre Pläne zu verhindern, ist letztlich Motivation und Kernaufgabe des Spiels.
Wie sein direkter Vorgänger, Human Revolution (2011), ist auch Mankind Divided stark von Science-Fiction und insbesondere dem Cyberpunk-Genre geprägt: Im Setting trifft futuristische Technologie auf dystopische Elemente, wie etwa eine omnipräsente Überwachung, soziale Spannungen oder den gigantischen, jedweder Kontrolle entzogenen Super-Konzernen. Zudem sind post-humanistische Motive, die Verschmelzung von Mensch und Maschine, ein zentrales Moment für Story und Spielablauf.
Mankind Divided wird primär aus der First-Person-Perspektive gespielt und vermischt dabei Elemente von Shootern, Schleich- und Rollenspiel. Als eigenständige Bezeichnung für dieses Mischgenre hat sich auch der Begriff „immersive sim“ etabliert. Womit gemeint ist, dass das Spieldesign die Freiheit der Spielenden in den Vordergrund stellt, um gegebene Probleme möglichst offen und kreativ lösen zu können.
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Mankind Divided berührt in seiner Story und Setting die erinnerungskulturell interessanten Themen von Diskriminierung und Fluchterfahrung. Dies geschieht durch die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Rolle von „augmentierten“ Menschen, d. h. Personen die durch kybernetische Implantate die Grenzen der eigenen Belastbarkeit und Fähigkeiten ausgedehnt haben. Diese abfällig „Augs“ genannten Menschen werden vom Großteil der nicht-augmentierten Bevölkerung mit Misstrauen oder offenem Hass betrachtet (die Gründe hierfür sind Thema des Vorgängers Human Revolution) und von Regierungen als Bürger zweiter Klasse behandelt. In Prag wird dies sogar anhand eigens eigenen Ghettos, „Golem City“, thematisiert, das auch Schauplatz eines eigenen Levels ist. Insbesondere dort rückt der Fokus auf die Erfahrung von Vertreibung und Flucht.
Zu betonen ist aber, dass man als Spielender diese Erfahrungen selbst nur sehr bedingt erlebt: Adam Jensen ist zwar augmentiert, aber dank seiner Lizenz als Interpol-Agent vor unmittelbarer Repression geschützt. Er wird Zeuge von der Diskriminierung die andere Augs erfahren, ist dieser Erfahrung an sich im Wesentlichen aber erhaben. Die oben beschriebenen Facetten sind deswegen mehr Ausstaffierung des Settings als unmittelbare Spielerfahrung. Lediglich in einigen optionalen Nebenmissionen können Spielende die sozialen Implikationen des Spiels etwas eingehender erkunden. Trotzdem bleibt das Niveau der Auseinandersetzung in der Tendenz oberflächlich und das Spiel scheint mehr mit der Analogie zu real-existierender Diskriminierung, insbesondere der Apartheid, zu kokettieren, statt tatsächlich etwas substanzielles auszusagen.
Diskussionspunkte
Bereits vor Veröffentlichung des Spiels sorgte seine Werbekampagne für erhebliche Kontroversen: mit Slogans wie „Mechanical Apartheid“ oder „Augs Lives Matter“ wurde in den Werbespots ein eindeutiger Bezug zu tatsächlichen, bekannten Formen von Diskriminierung und Rassismus gezogen. Auf Kritik wurde, branchentypisch, defensiv reagiert und das Spiel entpolitisiert: Es sei tatsächlich nur eine Erkundung der Dichotomie von Technologie und Freiheit, keine Auseinandersetzung mit diesen sozialen Themen. Dies ist eine offenkundige Ausrede, denn die im Spiel gezogenen Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen. Doch wie kritische Journalisten und Blogger bemerkten, bleibt das Spiel letztlich auf der Ebene der oberflächlichen Analogie stehen: Überall begegnen Spielenden Szenen, die an Bekanntes erinnern sollen, während eine Auseinandersetzung mit den systemischen Gründen der gezeigten Phänomene komplett fehlt. Mankind Divided bleibt damit eine Geisterbahn der Diskriminierung, die uns an – oft sehr gut inszenierten – Bildern erschauern lässt, aber sonst keine weiteren Fragen stellt. Auch die ludische Dissonanz zwischen der Machtlosigkeit der Augmentierten und der zugleich, dank Jensens mächtigen Augmentierungen, als Powerfantasy aufgebauten Spielerfahrung wurde in diesem Kontext debattiert.
Zudem ist bemerkenswert, dass der offensichtliche Vergleich mit Rassismus oder Antisemitismus im Spiel nie ausgesprochen wird. Selbst in der alles andere als subtil benannten „Golem City“ wird der offensichtliche Bezug nie kommentiert. Im Sinne dieses Vergleichs wurde zudem diskutiert, ob sich die gezeigte Diskriminierung von „Augs“ überhaupt so nahtlos in eine Reihe mit bekannten Rassismen stellen lässt, oder ob hier nicht entscheidende Unterschiede vorliegen, die das Spiel aufgrund seiner Oberflächlichkeit aber nicht untersucht.
Einsatzmöglichkeiten
Rein technisch betrachtet bietet Deus Ex einige sinnvolle Einsatzmöglichkeiten: Prag und der erste Abschnitt von „Golem City“ können größtenteils frei erkundet werden, wodurch Spielende dynamisch Zeuge verschiedener Szene von Vertreibung, Diskriminierung und dem Umgang damit werden können. Gerade „Golem City“ ist hier sehr reizvoll, da diskutiert werden kann, ob die Augmentierten-Community realistisch und glaubhaft dargestellt wurde, beziehungsweise ob das Spiel der Komplexität seines Themas gerecht wird. Abseits dieser freien Abschnitte können auch passende Schlüsselszenen gespielt und diskutiert werden.
Aufgrund der genannten Diskussionspunkte bleibt ein kritischer Blick beim Einsatz aber absolut notwendig. Statt bloß zu untersuchen, welche Analogien aufgenommen werden, muss die Frage im Vordergrund stehen, wie sich das im Spiel Gezeigte zur Komplexität seines Gegenstandes verhält. Mankind Divided eignet sich in diesem Sinne sehr gut zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen des Mediums und den Fragen des Zeig- und Sagbaren. Die Einbindung der dem Spiel vorgeschalteten Werbekampagne sowie die dazugehörige Diskussion wären dafür eine sehr sinnvolle Ergänzung. Eine weitere Einschränkung ist die Altersfreigabe ab 18 sowie zum Teil sehr explizite Darstellungen von Gewalt.
Weiterführendes Material
- Campbell, Colin. 2016. „Deus Ex: Mankind Divided and the Problem of ‚Mechanical Apartheid“. Polygon. Zugegriffen 6. Juli 2016.
- Ctphipps (Pseudonym). 2017. „The Social Satire of Deus Ex: Mankind Divided“. The United Federation of Charles (blog). 5. Januar 2017.
- Deus Ex. 2016. [DE] Deus Ex: Mankind Divided – The Mechanical Apartheid.
- The Culture HUD (ohne Autor). 2016. „Deus Ex: Mankind Divided on Racism – How It Succeeded, How It Failed, and How It Could Do Better in the Future.“ The Culture HUD (blog). 24. September 2016.
- Muncy, Julie. o. J. „Deus Ex: Mankind Divided Tries, and Fails, to Be a Political Game“. Wired. Zugegriffen 23. Mai 2022.
- NeverKnowsBest (Pseudonym). 2020. Deus Ex – An Entire Series Retrospective and Analysis (Video-Essay).
- Xiao, Ting. o. J. „The Inconsistent Picture of Racism Painted by Deus Ex: Mankind Divided“. Digital Patmos (blog). Zugegriffen 10. Mai 2022.
Zitierempfehlung
Bassermann, Markus. „Deus Ex: Mankind Divided“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 31.05.2022. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]
Förderer
Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Migration Lab Germany aus Mitteln der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.