Democracy 4
Auch der vierte Teil der Democracy-Reihe bildet eine Simulation und versetzt die Spieler*innen in die herausfordernde Position politischer Entscheidungsträger*innen, die zum einen für Ausgleich zwischen verschiedenen Interessensgruppen sorgen und zum anderen ihre eigene politische Vision umzusetzen versuchen.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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Demokratische Verhältnisse prägten im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr Staaten der Welt. Seit das 21. Jahrhundert begann, sammeln leider wieder vermehrt Kräfte ihre unzufriedenen Anhängerschaften, die für komplexe gesellschaftliche Probleme nach Autokratie, Gleichförmigkeit und Radikalismus rufen. Democracy 4 unterstreicht dagegen die Stärken von Demokratien, indem Spielende sich auf die Prozesse des politischen Interessenausgleichs konzentrieren. So zeigt die Simulation, wie widersprüchlich häufig Abwägungsprozesse zwischen Interessengruppen verlaufen. Deren politische Vorstellungen kollidieren bei jeder Maßnahme in sachpolitischen Feldern, die einander auch noch beeinflussen. Spielende übernehmen die Richtlinienkompetenz als Spitze einer Regierung. Ihr Ziel ist nicht der Sieg über Gruppen. Sie versuchen die Unterstützung eines genügend großen Anteils der Bevölkerung zu gewinnen, um die Wiederwahl zu erreichen. Dabei probieren sie eigene politischen Visionen aus.
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Außerordentlich reich an statistischen Details blickt Democracy 4 auf die Faktoren der politischen Kultur demokratischer Staaten. Es modelliert die Aushandlungsprozesse zwischen Interessengruppen in freien Gesellschaften. Dadurch schafft es tiefe Einblicke in die historischen Voraussetzungen der dargestellten Länder.
Democracy 4 ist der jüngste Teil einer Reihe, die 2005 als Strategiespiel um politischen Einfluss begann. Seither bemühen sich seine Entwickler:innen fortwährend um die immer ausgefeiltere Simulation der politischen Prozesse. Um politische Kultur und Regierungsprozesse treffend nachzubilden, beruht der Entwicklungsprozess auf dem engen Austausch mit der Community. Damit zählt es als lobenswertes Beispiel zu den Politik-Simulatoren. Häufig niedrigpreisig, dröge und fragwürdig modelliert, präsentieren sie Staat und Gesellschaft aus Sicht einer nationalen Regierung. Einen geopolitischen Fokus setzt Power & Revolution (2016), das regelmäßig etwas angepasst wird. Mit einer fiktiven Erzählung vollzieht Suzerain (2020) das Regierungshandeln eines Präsidenten nach. Eine seltene Perspektive bietet Ostalgie (2018) auf das sozialistische Staatengefüge des Ostblocks. Democracy 4 unterscheidet davon das ernsthafte Interesse der Entwickler:innen an Prozessen der politischen Entscheidungsfindung.
Diskussionspunkte
Das Modell der Entwickler:innen von Democracy 4 greift auf offizielle statistische Daten der Staaten zurück. Sie speisen etwa die Gewichtung sozialer Schichten ein oder die steuerliche Leistungskraft. Daraus errechnet das Spiel hunderte Personen, die für Fokusgruppen stehen. Sie helfen abzuschätzen, wie Entscheidungen sich auf das Verhalten der Wählerschaft auswirken. Die Gruppen ließen sich sicher feiner differenzieren: nach Männern und Frauen, Religionen oder in Unternehmensgrößen bei Kapitalisten zum Beispiel.
Weil sich das Modell auf die Aushandlung zwischen Gruppierungen fokussiert, abstrahiert es andere Elemente. Minister:innen stehen festen politischen Handlungsfeldern vor. Spielende können sie als Regierungschefs zwar umbesetzen, erweitern können sie das Kabinett aber nicht, um die Felder günstiger zu kombinieren. Sie allein verfügen über die Entscheidungsgewalt, denn Ministerien werden nie selbst tätig. Ebenso verzichtet das Spiel auf ein Parlament oder Mehrkammersysteme (bspw. Bundesrat).
Dem politischen System gehören maximal drei fiktive Parteien an. Zwischen den Wahlen dauert jede Spielrunde ein Quartal. Um weiter zu regieren, verdienen Spielende politisches Kapital. Sie erhalten es durch die Unterstützung aus Interessengruppen und den Rückhalt der Kabinettsmitglieder. Unpopuläre Maßnahmen wie Steuererhöhungen ebenso wie Liberalisierungen oder Sozialleistungen verringern hingegen das politische Kapital.
Einsatzmöglichkeiten
Die abstrakte Präsentation von Democracy 4 richtet sich eher an gymnasiale Oberstufen oder historisch-politische Erwachsenenbildung. Für die anstrengende Einarbeitung sollten sich Kleingruppen untereinander stützen. Langfristig lässt sich das Spielen als Hausaufgabe bzw. im Vorfeld eines Workshops vorbereiten. Die technischen Ansprüche sind gering. Das Spiel ist im Early-Access auf der Distributionsplattform Steam erhältlich oder kopierschutzfrei auf der Homepage des Entwicklerstudios. Auch Modifikationen sind möglich. Auf Deutsch erleichtern Hilfstexte in den Menüs und ein Leitfaden den Einstieg. In englischsprachigen Tutorial-Videos erklärt das Studio tiefere Zusammenhänge. Sie legen Aspekte des Modells offen und heben Verfeinerungen hervor.
Die Komplexität eröffnet tiefe Einblicke in politische Aushandlungsprozesse. Als Einstiegsszenario lädt gezielt Deutschland ein, eine Vision zu verfolgen und die Umsetzung zu beobachten. Berücksichtigt sind auch Besonderheiten wie der Solidaritätszuschlag. Wie Gruppen beim Spielen vorgehen, lässt sich anhand der ausgelösten Prozesse und Reaktionen von Fokusgruppen vergleichen. In einem Unterricht zu Wirtschaft, Gesellschaft und der Geschichte nach 1945 generiert ein solches Vorgehen Verständnis für die Komplexität politischer Aufgaben. Handlungsoptionen lassen sich an großen Debatten (z. B. Klima-Transformation) oder thematisch begrenzter (z. B. Essensqualität an Schulen) erproben.
Weiterführendes Material
- „Demokratie im Digitalen Spiel“ [Unterrichtsvorschlag zu Democracy 3]. 2020. Digitale Spiele und historisches Lernen. Herausgegeben von Stephan Friedrich Mai und Alexander Preisinger unter Mitarbeit von Andreas Hametmer. Geschichte unterrichten. Frankfurt a. M. Wochenschau. S. 39-42.
- Harris, Cliff. 2020 „Democracy 4 Developer Blog #21: GERMANY!“. Kanal Cliff Harris via Youtube 13.9.2020. , zuletzt abgerufen am 10.12.2021.
- Harris, Cliff. 2021.„Democracy 4 Feb 2021 Developer Playthrough“. Kanal Cliff Harris via Youtube 13.2.2021. , zuletzt abgerufen am 10.12.2021.
- Pichler, Georg. 2021. „Democracy 4′ im Test: Meine Regierung, die Extremisten und ich“. DerStandard.de 17.1.2021., zuletzt aufgerufen am 10.12.2021.
Zitierempfehlung
Nolden, Nico: „Democracy 4“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021 [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]