Spielcover: Partisans 1941

Partisans 1941

Im Echtzeit-Taktik-Spiel Partisans 1941 beteiligen sich die Spieler*innen am sowjetischen Widerstand und versuchen, das Vorrücken der deutschen Truppen auf Leningrad auszubremsen.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Alter Games (Russland)
  • Publisher: Daedelic Entertainment
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Genre: Strategy
  • Thema: Holocaust, Nationalsozialistische Herrschaft, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
  • Zugänglichkeit: Deutsche Sprachversion, Englische Sprachversion
  • Vermittlungspotenzial Mittel
  • Zeitaufwand Hoch
  • Komplexität Hoch
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Nico Nolden

Dr. Nico Nolden forscht und lehrt in Public History zur Geschichte von und in digitalen Spielen, zu ihrer Rolle für die Erinnerungskultur und ihrem Nutzen für die Bildung.

Im Sommer 1941 überfiel das deutsche Reich die Sowjetunion. Die Wucht des Angriffs überrollte in den ersten Wochen die sowjetische Armee. Von vornherein als rassistischer Vernichtungskrieg geplant, gingen die Besatzer mit extremer Grausamkeit gegen Kämpfer und Zivilbevölkerung vor. Im Echtzeit-Taktik-Spiel Partisans 1941 gerät die Hauptfigur als sowjetischer Kommandant in Gefangenschaft. Nur knapp entgeht er der Erschießung und flüchtet sich in die Wälder. Im Versteck sammelt er Informationen über die Besatzer, ihre strategischen Ziele und Gräueltaten im Umland. Eine Handvoll Soldaten und Überlebende schließt sich ihm an, die spezielle Fertigkeiten für den Widerstand mitbringen. Hinter feindlichen Linien versuchen sie, den Vormarsch deutscher Truppen auf Leningrad zu bremsen, um den Verteidigern Zeit zu erkaufen. In den freizügigen Spielgebieten der Hauptmissionen und abstrakteren Nebenaufträgen beschaffen die Kämpfer Lebensmittel oder Ausrüstung, um mit dem Lager auch ihre Chancen zu verbessern.

Video-Kurzreview

Erinnerungskulturelle Bedeutung

Den Vernichtungskrieg zeigt Partisans 1941 aus einer wenig präsenten Perspektive des russischen Widerstands. Das menschenverachtende deutsche Vorgehen prägt entscheidend die russische Erinnerungskultur. Umso bemerkenswerter ist die Zusammenarbeit zwischen einem russischen Entwicklerstudio und einem deutschen Publisher.

Immer mehr kleine osteuropäische Studios greifen die traumatischen Erinnerungen der eigenen Gesellschaften an den Zweiten Weltkrieg auf. Wie Partisans 1941 den russischen Widerstand verarbeitet Warsaw (2019) den Warschauer Aufstand, Attentat 1942 (2017) die Langzeitfolgen bis heute und My Memory of Us (2018) sogar den Holocaust kindgerecht.

Vorbilder für die Spielform von Partisans 1941 finden sich in der Reihe Commandos. Darin kämpften Kommandotrupps der Westalliierten, allerdings fehlte der explizite historische Rahmen wie bei Partisans 1941. Das Geschehen lässt sich nicht pausieren, vorübergehend aber verlangsamen. Behutsam in unterlegener Zahl voran zu schleichen, passt gut zum Szenario. 2010 misslang das ähnlich betitelte Partisan – Widerstand hinter den feindlichen Linien, weil das actionlastige Rollenspiel Diablo (1996) als Vorbild diente. Erfolgreich belebte beim gleichen Publisher das Studio Mimimi Productions die Spielform mit Shadow Tactics (2017) für die japanischen Edo-Zeit und dem Western in Desperados III (2020).

Diskussionspunkte

Mit dem Widerstand rückt ein historisches Trauma Russlands in den Fokus, aus dem sich die Erinnerung an den „Vaterländischen Krieg“ als nationale Kraftanstrengung speist. Diesen Mythos flankiert nicht nur Stolz über die Abwehr von Feinden trotz immenser Opfer, sondern auch tiefes Misstrauen gegen die Aufrichtigkeit „des Westens“. Seit einigen Jahren stärkt Moskau diese erinnerungskulturellen Motive wieder bewusst als Staatsraison bei außenpolitischen Differenzen.

Einheiten von Partisanen minderten später im Krieg die militärische Schlagkraft der Besatzer bedeutend. Weniger plausibel ist, dass sie schon 1941 gezielt hinter den Fronten operierten. Eingeschlossene sicherten vorwiegend ihr Überleben. Das Studio lässt die Operationen im Spiel aber repräsentativ erscheinen, was vom nationalen Mythos nicht zu trennen ist.

Der Begriff „Partisan“ ist zudem problematisch. Dazu erklärte die Nazi-Führung alle, die nur irgendwie Widerstand leisteten, und nahm ihn zum Vorwand, um die Vernichtung der Zivilbevölkerung auszuweiten.

Differenziert greift Partisans 1941 aber durchaus kritische Aspekte auf. Zweifel entstehen etwa an der eigenen Führung. Angriffe führen zu deutschen Racheakten an Dörfern, was nicht jedem in der Bevölkerung gefällt. Sogar Kollaborateure werden thematisiert, die durch die neuen Herren mit ihren Mitmenschen abrechneten.

Einsatzmöglichkeiten

Über den Zweiten Weltkrieg hinaus fußt die gegenseitige Verständigung mit Russland in der gemeinsamen Geschichte. Im Krieg erlitten die Menschen dort Unermessliches. Als Konsequenz verleibte sich Moskau Osteuropa als Sicherheitskordon ein und unterdrückte den halben Kontinent. Diese Ambivalenz bestimmt auch die europäische Gegenwart.

Verständnis für sie zu fördern, ist eine wichtige Aufgabe für den schulischen Unterricht in Geschichte und Politik sowie für die historisch-politische Erwachsenenbildung. Die Partisanen und der deutsche Überfall, der „Vaterländische Krieg“ und das Sowjetimperium der Nachkriegszeit schärfen zusammen ein Bewusstsein für Spannungslinien in Europa sowie zwischen Moskau und Berlin.

Weil Partisan 1941 langwierig ist, sollten für den Unterricht Ausschnitte oder ein Let’s Play vorbereitet werden. Der Titel ist günstig auf der Distributionsplattform Steam erhältlich, aber nicht altersgeprüft. Ab 16 Jahren sollten ihn Schüler:innen jedoch anspielen können. So erfahren sie, wie flexibel sie ihr Vorgehen variieren können. Für Workshops mit Erwachsenen sind längere Sessions denkbar. Der Austausch über Perspektiven hilft Spielweisen sowie das Handeln der Besatzer und Partisanen einzuordnen. In der frühen Mission „Außer Betrieb“ etwa äußert sich die Bevölkerung kontrovers über die Aktivitäten der Partisanen.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Nolden, Nico. „Partisans 1941“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus gefördert.