Sniper Elite V2
Die Handlung des Weltkriegsshooters Sniper Elite V2 versetzt die Spielenden als Scharfschützen nach Berlin in die Endphase des Zweiten Weltkriegs, um deutsche Wissenschaftler, die am V2-Raketenprogramm arbeiten, aufzuspüren und zumeist zu töten.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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Wie in allen Formen von Populärkultur ist auch im Videospiel der Zweite Weltkrieg ein generisches Setting. Die Sniper Elite-Reihe weist jedoch zwei Alleinstellungsmerkmale gegenüber den meisten Spielen mit ähnlichen Szenarien auf: Der Fokus auf den Einsatz von Scharfschützengewehren und die exzessive Gewalt. Letztere äußert sich in Zeitlupen-Zwischensequenzen, welche grafisch den Eintritt der Scharfschützenkugel in und ihren Effekt auf den Körper der meist nationalsozialistischen Gegnersoldaten zeigen. In den ersten Teilen der Reihe treten neben Nazis auch Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD (ein Vorgänger des KGB) als Gegner des in dritter Person spielbaren Protagonisten und Agenten des US-amerikanischen Geheimdienstes OSS (ein Vorgänger der CIA) auf. Die ersten beiden Spiele lassen sich daher ebenso als Kalter-Krieg- wie als Zweiter-Weltkrieg-Shooter lesen. Sniper Elite V2 ist inhaltlich weitgehend ein Remake oder Reboot des Vorgängers Sniper Elite. Die Rahmenhandlung des Spiels versetzt die spielende Person als Scharfschützen nach Berlin in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Dort lautet der Auftrag deutsche Wissenschaftler, die am V2-Raketenprogramm arbeiten, aufzuspüren und zumeist zu töten, während sich die Wehrmacht und die Rote Armee in der Stadt in finalen Häuserkämpfen konfrontieren.
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Während der erste Teil der Serie noch als realistische Simulation vermarktet wurde, verschob sich der Fokus der folgenden Spiele, beginnend mit Sniper Elite V2, mehr auf eher Action-lastiges Gameplay. Waffen, Orte, Uniformen und alle äußerlichen Merkmale des Zweiten Weltkrieges sind akribisch detailliert ihren analogen Vorbildern nachempfunden. Inhaltlich bieten die Spiele jedoch stets gerade genug Kontext, um die oft redundanten Missionen zu rechtfertigen. Während reale Charaktere wie Hitler teilweise persönlich auftreten, reale Waffensysteme, wie die V2, reale Ereignisse, wie die berüchtigte „Operation Paperclip“, oder Bauwerke, wie das Brandenburger Tor, enthalten sind, bleibt deren historische Einordnung weitgehend außen vor. Realistisch hingegen möchte der Akt des Schießens im Spiel sein. Auf dem obersten Schwierigkeitsgrad muss die spielende Person Wind, Entropie und Distanz miteinkalkulieren, um ein Ziel, zumeist einen Soldaten oder ein Militärfahrzeug, zu treffen. Während also die digitale Durchführung von Kampfhandlungen durchaus einen Anspruch auf Authentizität erkennen lässt, bleibt der reale historische Hintergrund genau das: ein bloßer Hintergrund. Die an Exploitationfilme erinnernde, reißerische Inszenierung bedient sich allerdings durchaus historischer Kuriositäten: So hat die spielende Person in einer kostenpflichtigen Erweiterung des Spiels etwa die Möglichkeit, Adolf Hitler mit einer Kugel in die Genitalien zu treffen. Historisch und anatomisch akkurat, zeigt die Animation hier nur einen Hoden.
Diskussionspunkte
Die exzessive Gewaltdarstellung ruft Diskussionen über „Nazi-Exploitation“ auf den Plan. Ist es legitim oder sinnvoll die Gewalt der historischen Nazis mit fiktiver Gewalt zu vergelten? Sniper Elite V2, wie auch der Vorgänger, setzt außerdem auf eine Gleichstellung der Nazi- und Sowjet-Regime. Dies verweist auf eine hartnäckig geführte Diskussion, die spätesten seit Hannah Arendts „The Origins of Totalitarism“ existiert: Sind totalitäre Systeme eher gleich als unterschiedlich? Auch das Setting in einer frühen Phase des Kalten Krieges und die Nutzung von wissenschaftlichem nationalsozialistischen Humankapital für die rivalisierenden Supermächte, USA und Sowjetunion, werfen Diskussionsfragen auf. Rechtfertigt Machiavellische Realpolitik alle Mittel zum Zweck? Des Weiteren spielt Intertextualität hier auch eine Rolle: So lässt sich etwa die Frage stellen, inwiefern Sniper Elite von Filmen, wie „Duell: Enemy at the Gates“ (2001), inspiriert wurde. Geheimoperation und die Legitimation von militärischem Interventionismus sind ebenfalls Thematiken, welche Stoff für weitere Diskussionen liefern könnten. Die Schleicheinlagen und die Suche nach Geheimdokumenten sind zwar die einzigen Elemente des Gameplays, die auf Spionagetätigkeit beruhen, jedoch wird deren Legitimität durch das Narrativ deutlich bekräftigt.
Einsatzmöglichkeiten
Für den Schulunterricht oder die Arbeit mit jüngeren Zielgruppen ist Sniper Elite V2, ebenso wie die anderen Teile der Serie, aufgrund der intensiven Gewaltdarstellung nicht geeignet. Gerade jene Gewaltdarstellung selbst eignet sich allerdings als Aufhänger für Debatten über den gesellschaftlichen und kulturellen Umgang mit Darstellungen von (historischen) Kriegs- und Konfliktthematiken. Ähnlich wie bei Filmen, wie „Inglourious Basterds“ (2009), lässt sich die Gewalt etwa als Katharsis entgegen den allzu realen Gewaltakten des Naziregimes lesen, als Rachefantasie, als realistische Darstellung oder auch als lediglich pornografische Exploitation.
Einführende Sequenzen zwischen den Leveln liefern ein wenig (pseudo-)historische Kontextualisierung. Die detaillierte Gestaltung von Spielabschnitten, Waffen, Fahrzeugen, Uniformen u. a. kann durchaus einen visuellen Mehrwert im Bereich der Erwachsenenbildung haben. Dieser bedarf aber weiterer Einbettung in den Gesamtkontext des Zweiten Weltkrieges. Problematisch ist durchaus, dass die derbe Gewaltdarstellung nur durch die spielende Person und ihren Avatar ausgeübt wird. Die Gewaltexzesse der Nazis und NKWD/Roten Armee werden im Spiel nicht etwa explizit gezeigt, um die eigene Gewaltanwendung zu rechtfertigen, sondern eher als Allgemeinwissen vorausgesetzt.
Weiterführendes Material
- Payne, Matthew Thomas und Nina B. Huntemann (Hrsg.). How to Play Video Games. USA: NYU Press, 2019
- Savage, Phil: „Sniper Elite V2 Review.“ PC Gamer 7.6.2012 , zuletzt aufgerufen am 12.12.2021
Zitierempfehlung
Kucharzewski, Tim: „Sniper Elite V2“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]