Metal Gear Solid 3: Snake Eater
Metal Gear Solid 3: Snake Eater versetzt Spieler*innen in die Rolle eines US-Elitesoldaten der im Jahr 1964 in sowjetisches Territorium entsendet wird. Sein erstes Missionsziel ist es, abtrünnige Kräfte innerhalb des Militärs der UdSSR an der Herstellung nuklearer Massenvernichtungswaffen zu hindern. Bemerkenswert an dem Spiel ist, dass es zwar Spieler*innen in die Rolle eines Soldaten schlüpfen lässt, jedoch eine dezidiert kritische Perspektive auf Krieg eröffnet.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
Veröffentlicht am:
Metal Gear Solid 3: Snake Eater (kurz: MGS 3) versetzt Spieler:innen in die Rolle eines US-Elitesoldaten mit dem Codenamen „Naked Snake“, der im Jahr 1964 in sowjetisches Territorium entsendet wird. Sein erstes Missionsziel ist es, abtrünnige Kräfte innerhalb des Militärs der UdSSR an der Herstellung nuklearer Massenvernichtungswaffen zu hindern. Weitere Ziele sind die Befreiung des führenden Ingenieurs hinter diesen Technologien, der zur Waffenentwicklung gezwungen wird. Innerhalb der Metal Gear-Serie positioniert sich das Spiel am Anfang eines Narrativs, das neun kanonische Titel überspannt. Das Spiel schildert den Werdegang von „Naked Snake“, der nach erfolgreichem Abschluss seiner Mission mit dem Titel „Big Boss“ ausgezeichnet wurde. Traumatisiert durch Erfahrungen von Verrat und schmerzlichem Verlust kehrt „Naked Snake“ den USA den Rücken, womit seine Entwicklung hin zum zentralen Widersacher oder wenigstens zur Schlüsselfigur der Vorgänger und Nachfolger von MGS 3 wird.
Der Plot von MGS 3 macht keinen Hehl aus seiner Fiktionalität. So sind zahlreiche Charaktere mit übernatürlichen Kräften ausgestattet und Spieler:innen kommen sogar mit dem Jenseits in Kontakt. Dennoch speisen sich Narrativ und ludische Gestaltung von MGS 3 aus historischem Wissen über das 20. Jahrhundert. Durch seine Dichte an Referenzen auf historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Technologien erzeugt MGS 3 einen in historischer Wirklichkeit verankerten Kontext für seine fantastische Story. Bemerkenswert ist an MGS 3, dass es zwar Spieler:innen in die Rolle eines Soldaten schlüpfen lässt, jedoch eine dezidiert kritische Perspektive auf Krieg eröffnet.
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Die stärkste Triebfeder der Story in MGS 3 ist der Kalte Krieg. MGS 3 baut diesen historischen Kontext durch Referenzen auf historische Ereignisse, wie die Kuba Krise 1962, Juri Gagarins erste bemannte Weltraummission oder die innerdeutsche Teilung; aber auch auf historische Persönlichkeiten wie Nikita Chruschtschow, den damaligen Chef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, oder den US-Präsidenten Lyndon B. Johnson, der nach der Ermordung John F. Kennedys das Amt antrat. Gleichzeitig sind Charakterkonstellationen, visuelles Design und Soundtrack stark orientiert an Spionagefilmen der 1960er wie beispielsweise die „James Bond“-Filmreihe. MGS 3 stützt sein historisiertes Szenario damit nicht nur durch zeitgeschichtliche Referenzbezüge, sondern setzt auch auf Verweise auf populärkulturelle Phänomene der Zeit, in der die Handlung angesiedelt wurde.
MGS 3 nimmt eine Perspektive auf den Kalten Krieg ein, aus der das nukleare Wettrüsten der Supermächte und der Wettlauf um die Erschließung des Weltraums als die zentralen Konfliktfelder erscheinen. Im Kontext der Serie ist MGS 3 das erste Spiel, das sich in der Vergangenheit verortet und nicht in einer nicht allzu fernen Zukunft. Die Detailversessenheit des Designs und die Komik des Spiels darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine ernste Botschaft zu vermitteln versucht: MGS 3 spricht sich gegen Krieg aus. Es plädiert gegen ein statisches bzw. absolutes und für ein relatives Verständnis von Freund und Feind.
Diskussionspunkte
Wegen der offen fiktional gestalteten Geschichte ist es angemessen zu fragen, wie MGS 3 geschichtliche Kontexte repräsentiert und sich so aneignet, dass der Spagat zwischen massentauglicher Unterhaltung und Anti-Kriegs-Rhetorik gelingen kann. Ein augenfälliges Gestaltungsmittel ist die Verwendung von historischen Archivmaterialien wie Fotografien und Filmen in Zwischensequenzen. Komplementär dazu nutzt MGS 3 einen quasi-dokumentarischen Stil. D. h., dass Videomaterial so stilisiert wird, dass es den vorgenannten Archivalien nachempfunden ist und somit der Verflechtung von Fiktion und Geschichte Vorschub leistet.
Dass die Rhetorik von MGS 3 gegen Krieg und Gewaltausübung gerichtet sein soll, mag angesichts des – für eine Produktion aus dem Jahr 2004 – bildgewaltigen Actionspektakels, in dem es an Feuergefechten, Explosionen und auch Todesopfern keinen Mangel gibt, eine überraschende These sein. Anti-Kriegs-Rhetorik kommt jedoch auch auf Ebene der Spielmechaniken und nicht nur als vom Gameplay entkoppeltes Narrativ zum Tragen. So werden Spieler:innen sanktioniert, wenn sie Gegner töten, und es besteht stets die Möglichkeit mit nicht-tödlichen Mitteln das Spiel zu bestreiten. Nur wenn Spieler:innen ohne einen „Kill“ das Spiel zum Abschluss bringen, kann der höchste Rang „Big Boss“ erreicht werden. Im Verlauf der Handlung kommt „Naked Snake“ in Kontakt mit dem Jenseits und wird in diesem Zusammenhang mit den Geistern aller bis zu diesem Punkt getöteten Gegner konfrontiert.
Wenngleich die Rhetorik des Spiels gegen Krieg gerichtet ist, weist MGS 3 an einigen Stellen empfindliche Verkürzung in der Repräsentation, aber auch in der Ausdeutung von Geschichte auf. Das Ende des Zweiten Weltkriegs wird prominent als Beginn des Kalten Krieges und damit der Teilung der Welt in Ost und West markiert. Gleichzeitig wird der Zweite Weltkrieg so gut wie gänzlich auf sein Ende und auf die vermeintliche Beliebigkeit politischer Machtkämpfe reduziert.
Einsatzmöglichkeiten
MGS 3 bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, um in der Vermittlung im Unterricht die Spannung zwischen Fiktion und Geschichte zu ergründen. Die (oben bereits erwähnte) quasi-dokumentarische Inszenierungsstrategie zielt an keiner Stelle auf eine faktentreue Reproduktion von Geschichte. Stattdessen konstruiert MGS 3 einen historischen Kontext, um eine rhetorische Agenda zu verfolgen und sich kritisch gegenüber Krieg zu positionieren. Aus dieser Perspektive treten die transmedialen Potenziale und Kapazitäten von Computerspielen in den Blick. Schließlich geriert sich MGS 3 über weite Strecken als interaktiver Spielfilm, greift Konventionen des Kinos auf und erweitert sie um das partizipative Moment der Spiel-Spieler:innen-Interaktion. MGS 3 ist also hervorragend geeignet, sich mit dem Verhältnis zwischen Narrativ und Gameplay auseinanderzusetzen und dieses Verhältnis weniger als Dichotomie und mehr als Möglichkeitsspektrum zu begreifen.
Des weiteren gilt es mitzudenken, dass MGS 3 eine japanische Produktion ist. Insofern ist die von den Produzierenden eingenommene Perspektive ohne Sensibilität für interkulturelle Unterschiede kaum angemessen zu fassen. MGS 3 entspringt einem spezifischen kulturellen Kontext, von dem aus Geschichte und Konventionen des kulturellen Westen verhandelt werden. Eine interkulturell informierte Perspektive ist wichtig, um die Ambitionen von MGS 3 nicht auf die Abwägung zwischen rhetorischen Zielen und ökonomischen Interessen zu reduzieren. Dies gilt z. B. mit Blick auf Nuklearwaffen, denn die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 – die im Spiel nicht explizit erwähnt wird – traumatisierte die Nationen bis in die Gegenwart.
Weiterführendes Material
Freybe, Konstantin. 2021. „How Metal Gear Solid 3: Snake Eater Obscures Moral Ambiguities“. In Japan’s contemporary media culture between local and global. Content, Practice and Theory, edited by Martin Roth, Hiroshi Yoshida, and Martin Picard, 281-313. Heidelberg: CrossAsia-eBooks, 2021.
Zitierempfehlung
Freybe, Konstantin. „Metal Gear Solid 3: Snake Eater“. Datenbank Games und Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]