Panzer Corps 2
Das Militärstrategiespiel Panzer Corps 2 stellt die Spieler*innen vor die Aufgabe, als deutsche Befehlshaber*innen erfolgreich verschiedene militärische Angriffsoperationen an Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs durchzuführen.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
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Panzer Corps 2 spielt an verschiedenen Schauplätzen deutscher Angriffsoperationen im Zweiten Weltkrieg und gibt den Spielenden den Befehl über einen militärischen Großverband.
Es wird ausschließlich aus der Perspektive eines höheren deutschen Offiziers gespielt, der eine zum Teil dynamische Abfolge von Missionen an Schauplätzen wie dem Angriff auf Polen 1939 absolviert. Im Zentrum des Gameplays steht die Aufstellung, das Manövrieren und das Kämpfen mit einzelnen Einheiten und Fahrzeugen des eigenen Verbands im rundenbasierten Taktikmodus auf einer in Hexfelder unterteilten Einsatzkarte. Vor jeder Mission wird man von einem Vorgesetzten über die Ziele informiert.
Im Verlauf der Kampagne erhält man durch die Einnahme von operativen Zielen (wie z. B. Städten und Flugplätzen) und die Zerstörung von Feindeinheiten eine Währung namens „Prestige“. Damit können Verluste ausgeglichen und neue Einheiten zwischen den Missionen erworben werden. Außerdem können Einheiten dort im Laufe der Zeit aufgewertet werden. Besonders erfolgreiche Einheiten erhalten sog. „Helden“, welche Kampfboni für diese bereitstellen.
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Panzer Corps 2 bedient in klassischer Weise das erinnerungskulturelle Topos einer „sauberen Wehrmacht“, indem es die Kriegsbemühungen der Deutschen auf eine rein militärische Auseinandersetzung klassischer Art reduziert: Ehrenvolle Anführer und Soldaten bekämpfen zur Erlangung von Prestige ausschließlich ihre militärischen Feinde. Ein großer Teil des Spieles findet an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg statt, die durch Vernichtungskrieg, Kriegsverbrechen und den Holocaust geprägt worden war.
Im Bereich hexfeldbasierter militärischer Strategiespiele steht Panzer Corps 2 in einer sehr langen Traditionslinie von rundenbasierten Spielen, die ihren Ursprung noch in den japanischen Daisenryaku-Spielen (jap. „Große Strategie“) der 1980er-Jahre hat. Im deutschsprachigen Raum dürfte Panzer General von 1994 wesentlich bekannter sein. Dieses Spiel besitzt im Kern die gleichen Spielmechaniken wie auch die Panzer Corps-Serie. Dieses Untergenre von Kriegsspielen wurde mit Panzer Corps 2011 wieder belebt.
Zwar steht die Serie Panzer Corps neben vielen anderen Titeln, die eine Kontextualisierung vermissen lassen. Durch seine an Zynismus grenzende beiläufige Erwähnung einer Einsatzgruppe im Polenfeldzug 1939 bei einem Missionszwischenbriefing wird das Problem einer Auslassung und Entkontextualisierung des Charakters der nationalsozialistischen Angriffskriege wie durch eine Lupe verdeutlicht.
Diskussionspunkte
Der Vorgänger Panzer General von 1994 landete nach seiner Veröffentlichung auf der Liste der indizierten Spiele der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen Verharmlosung von Krieg und Nationalsozialismus. Erst im Juni 2021 wurde diese Indizierung aufgehoben.
Die Diskussion um die komplette Ausblendung von Vernichtungskrieg und zivilem Leid an der Ostfront wird in journalistischen Reviews bislang fast gar nicht geführt. Panzer Corps 2 geht mit seinen atmosphärisch aufwändiger inszenierten Missionsbesprechungen mit Foto-Avataren von Wehrmachtsoffizieren aber noch einen Schritt weiter als seine Vorgänger.
In einem Diskussionsthread der Website des Gaming-Magazins GameStar hat ein Nutzer auf eine beiläufige Erwähnung einer Einsatzgruppe bei der Missionszwischenbesprechung aus der Zusatzinhalts-Kampagne „Axis Operations 1939“ hingewiesen, die ihn offenbar schockierte. In einer Mission um die Eroberung Lwiws berichtet uns ein namenloser Vorgesetzter über das Auffinden einiger polnischer Zivilisten in Transportfahrzeugen und ermahnt die Spielenden an die Befehle bezüglich Zivilisten zu denken: „Wir sollen sie unseren ‚Freunden‘ von Einsatzgruppe E übergeben, damit sie ihre Personalien aufnehmen und über den weiteren Verbleib entscheiden können.“
Die Ablehnung dieser Anweisung führt spielmechanisch zu einem massiven Verlust an Prestigepunkten. Wenn man dem Vorschlag zustimmt, passiert jedoch nichts.
Dieser Hinweis eines Spielers führte zu einem umfassenden Artikel zu Kriegsverbrechen in digitalen Spielen im Abonnement-Bereich der GameStar durch den freien Autor Daniel Ziegener, welcher u. a. auch Entwickler und Historiker interviewt hat.
Einsatzmöglichkeiten
Ein unterrichtlicher Einsatz von Panzer Corps 2 gestaltet sich durch die bislang fehlende USK-Prüfung als schwierig, hier sollte auf jeden Fall mit der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) Rücksprache gehalten werden.
Darüber hinaus lässt sich Panzer Corps 2 als mediales Erinnerungsprodukt sehr gut kontrastiv zur aktuellen historischen Forschung diskutieren, wobei die Besprechung dieser vorangestellt werden müsste.
Einerseits mag die Zurückhaltung der Entwicklerteams dieses und ähnlicher Spiele nachvollziehbar wirken, um ihr (Unterhaltungs-)Produkt wie schon seine Vorgänger mit so wenig Kontroversität wie möglich zu verkaufen. Andererseits steht dem eine lang praktizierte Erinnerungsverantwortung den Opfern von Nationalsozialismus und Holocaust gegenüber.
Anhand der Zwischenbesprechung in der Lwiw-Mission kann man konkret nach dem Bedürfnis von Kontextualisierung der dort nebenbei angedeuteten Interaktion zwischen Wehrmacht und SS-Einsatzgruppen fragen und ob sich Lernende und Lehrende eine alternative Herangehensweise aus bisherigen Spielerfahrungen insgesamt vorstellen können.
Auch ein längerer Blick zurück in die Seriengeschichte dieses Spielegenres könnte dabei fruchtbar gemacht werden, wenn man sich den Indizierungsfall von Panzer General von 1994 und seine erst kürzliche Aufhebung vor Augen führt und die damalige Argumentation der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf seinen geistigen Nachfolger Panzer Corps 2 bezieht.
Vom Umfang her lässt sich das Spiel eher in einer kleineren Unterrichtsreihe genauer anspielen, da es doch recht komplex in seinen Mechaniken ist. Die technischen Anforderungen sind dabei trotz der 3D Grafik relativ überschaubar.
Weiterführendes Material
- Aust, Martin. Erinnerungsverantwortung. Deutschlands Vernichtungskrieg und Besatzungsherrschaft im östlichen Europa 1939 – 1945. Berlin: Bundeszentrale für politische Bildung, 2021.
- Luibl, Jörg. „Panzer Corps 2 – Test, Taktik & Strategie.“ 4Players, 22.03.2020.
- beagletank. „Panzer Corps 2 – Oder: wie thematisiere ich Kriegsverbrechen (Nicht)?“ GameStar, 15.07.2021.
- Dawitz, Bastian. „Krieg Bleibt Immer Gleich!? – Ein Plädoyer Wider Die Meistererzählung in Spielen zum 2. Weltkrieg.“ Edited by Nico Nolden and Eugen Pfister. Gespielt – Blog des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele, 21.09.2020.
- Ziegener, Daniel. „Kriegsverbrechen: Worüber Spiele Zu oft Schweigen.“ GameStar Das Nr. 1 Magazin für PC-Spieler. GameStar, 03.10.2021.
- DooMinator. „Panzer General (1993) – Information: Indizierungsentscheidung es Spiels Panzer General (Auszüge).“ OGDB, 23.02.2006.
Zitierempfehlung
Dawitz, Bastian. „Panzer Corps 2“, Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]