Spielecover: Blackhaven

Blackhaven

In Blackhaven erkunden die Spieler*innen aus Perspektive der Praktikantin Kendra Turner den fiktiven, aber realen Vorbildern nachempfundenen, Erinnerungsort „Blackhaven Hall“. Durch das Begehen der Räume und Lösen kleiner Rätsel eröffnet das Spiel Zugang zu den Themen Kolonialismus, Sklaverei und den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Allgemeine Infos

  • Entwickler: Historiated Games (USA)
  • Publisher: Historiated Games
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Genre: Puzzle, Serious Game, Simulator
  • Thema: Kolonialismus
  • Zugänglichkeit: Englische Sprachversion, Kostenlos
  • Vermittlungspotenzial Hoch
  • Zeitaufwand Mittel
  • Komplexität Gering
Erklärungen zur Bewertung

Trailer

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Erinnerungskulturelle Einordnung

Autor: Felix Zimmermann

Felix Zimmermann forscht zu Digitalen Spielen als Teil erlebnisorientierter Geschichtskulturen sowie zum atmosphärischen und erinnerungskulturellen Potenzial des Mediums.

Blackhaven ist in einem Gegenwartssetting angesiedelt. Spieler:innen steuern die Afroamerikanerin Kendra Turner, die ihren ersten Arbeitstag als Praktikantin der „Blackhaven Hall Historical Society“ erlebt. Blackhaven Hall ist ein Gedenkort mit angeschlossenem Museum, der zwar trotz seiner Verortung im US-amerikanischen Virginia fiktiv, doch realen „Historic Houses“ in den USA nachempfunden ist. Aus einer Ego-Perspektive heraus erkunden Spieler:innen das Museum und das restaurierte Anwesen und besuchen im Verlauf des Spiels die Ausstellung, nehmen an einer Audiotour teil und sichten Dokumente im hauseigenen Archiv. Das Spiel ist rein auf Erkundung ausgelegt, d. h. Spieler:innen können ohne Zeitdruck oder motorisch herausfordernde Spielmechaniken den Aufgaben nachgehen und der Erzählung folgen. An einigen Stellen sind rudimentäre Rätsel zu lösen, beispielsweise wenn eine bestimmte Akte im Archiv gefunden werden muss, doch insgesamt werden Spieler:innen komfortabel durch das ca. zwei- bis dreistündige Spielerlebnis geleitet.

Kurzreview

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Erinnerungskulturelle Bedeutung

Blackhaven ist auf zwei Ebenen von erinnerungskultureller Bedeutung. Zum einen eröffnet es einen Zugang zu US-amerikanischer Geschichte, dabei vor allem zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Rolle schwarzer Sklav:innen und die Verbrechen weißer Kolonialist:innen. Zum anderen ermöglicht das Spiel einen erhellenden Blick auf Geschichte als Konstruktion und Erinnern bzw. Erinnerungskultur als Prozess.

Dieser Fokus auf Black American History und die gegenwärtige Rezeption bzw. Auslassung dieser Geschichte der Afroamerikaner:innen in den USA wurde vom Entwicklungsstudio Historiated Games ganz bewusst gewählt. Gegründet und geleitet von James Coltrain, Geschichtsprofessor an der University of Connecticut, hat sich das Studio dezidiert der Entwicklung von Games mit geschichtswissenschaftlichem Anspruch verschrieben. Coltrain arbeitete mit Student:innen der Xavier University of Luisiana unter der Leitung von Professorin Shearon Roberts zusammen, um die Protagonistin und die Erzählung des Spiels zu gestalten. Blackhaven soll hierbei nur der Auftakt sein für ein weiteres Spiel, Cassius, das es Spieler:innen ermöglichen soll, die historische Blackhaven Hall im Jahr 1781 vor ihrer (vermeintlichen) Zerstörung durch die Briten zu erkunden.

Diskussionspunkte

Blackhaven positioniert sich eindringlich in einer gegenwärtigen Diskussion zum verantwortungsvollen Umgang mit vermeintlichen Heldenfiguren US-amerikanischer Geschichte. Gleichzeitig verweist es auf Voraussetzungen und Fallstricke einer kritischen und verantwortungsvollen Geschichtsvermittlung und stellt hierbei die Quellenarbeit der Historiker:innen in den Vordergrund.

Im Museum und im rekonstruierten Anwesen wird die vermeintliche Geschichte einer vergessenen Heldenfigur der US-amerikanischen Geschichte erzählt. Thomas Harwood, ein fiktionaler Kämpfer für die amerikanische Unabhängigkeit und Begründer der bis in die Gegenwart reichenden Harwood-Dynastie, wird in der Blackhaven Hall geradezu verehrt. Nach und nach decken Spieler:innen in der Rolle von Kendra Turner allerdings Lücken und Widersprüche in der musealen Erzählung auf, die spätestens dann zur Gewissheit werden, als Kendra im Archiv belastendes Quellenmaterial findet, das den tiefsitzenden Rassismus Thomas Harwoods sowie seiner Familie offenbart. Die Sklav:innen, die für die Harwoods im Haus und auf den Feldern des Anwesens arbeiten mussten, werden in Ausstellung und Audiotour ausgeblendet, wenn überhaupt, dann euphemistisch als „Servants“ bezeichnet. Diese romantisierende Darstellung der Harwoods als wohlwollende Plantagenbesitzer wird von zeitgenössischen Berichten konterkariert, die auf Misshandlungen und sogar Tötungen der Sklav:innen durch die Harwoods hindeuten. Nicht zufällig wird dieses belastende Material von der „Blackhaven Hall Historical Society“ unter Verschluss gehalten, scheint doch – wie Kendra ebenfalls herausfindet – Rassismus einen festen Platz in der Führungsetage des Museums zu haben.

Einsatzmöglichkeiten

Blackhaven bietet sich hervorragend zum Einsatz in verschiedenen didaktischen Kontexten an. Als Spiel, das besonders auf die Amerikanische Revolution abhebt und dabei bewusst Black American History in den Vordergrund stellt, eignet sich das Spiel, um sich diesen Themenfeldern differenziert anzunähern. Noch produktiver scheint der Einsatz des Spiels allerdings im Kontext einer Diskussion gegenwärtiger Geschichtsrezeption bzw. der Konstruiertheit von Geschichte generell. Blackhaven zeigt eindringlich, dass Auswahl, Auslassung und Deutung von Quellen schon ein konstruierender, gar ein politischer Akt sind. Das Spiel betont die Verantwortung von Historiker:innen und eignet sich so, um sich ganz grundlegend mit historischer Arbeit und öffentlicher Geschichtsvermittlung im Sinne einer Public History auseinanderzusetzen.

Das Spiel ist mit maximal drei Stunden sehr kurz, grafisch nicht besonders aufwendig und spielmechanisch rudimentär und damit für zahlreiche Zielgruppen zugänglich. Aufgrund des fiktiven Settings müsste eine realhistorische Einordnung erfolgen, doch allein schon dadurch, dass Kendra Turner selbst ihre Entdeckungen stets kommentiert, wird das Spiel auch ohne externe Kontextualisierung seinem Vermittlungsanspruch gerecht. Blackhaven lebt von diesem spezifischen Konflikt, als schwarze Protagonistin auf eine unverhohlene Ausblendung afroamerikanischer Geschichte zu stoßen. Eine eindringliche Perspektivübernahme, die für sich stehend schon von didaktischem Wert ist.


Weiterführendes Material

Zitierempfehlung

Zimmermann, Felix. „Blackhaven“. Datenbank Datenbank Games und Erinnerungskultur.
Stiftung Digitale Spielekultur, 15.12.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]

Förderer

Dieser Beitrag wurde aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus gefördert.