Attentat 1942
Aus Perspektive eines Enkelkinds versuchen die Spielenden in Attentat 1942 die Biographie des Großvaters, seine mögliche Involvierung in das Attentat auf Reinhard Heydrich und seine Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime aufzuarbeiten.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
Veröffentlicht am:
Im heutigen Prag versucht die Spieler*in, Informationen darüber zu sammeln, in welchem Maße ihr Großvater an dem tödlichen Attentat auf SS-Obergruppenführer und Stellvertretendem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich am 04. Juni 1942 beteiligt war. Dabei untersucht die Spieler*in historische Artefakte aus der Zeit des Nationalsozialismus und spricht mit einer Reihe von „Zeitzeug*innen“ über die damaligen Ereignisse, den tschechischen Widerstand und den Holocaust. Neben den Dialogen, in denen bestimmte Antworten nur mithilfe gezielter Fragestellungen freigeschaltet werden, muss die Spieler*in in historischen Episoden kleine Rätsel lösen und erhält so weitere Informationen über die Vergangenheit der Betroffenen.
Spielung
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Das Spiel war nach der Demo-Version von Through the Darkest of Times (2020) anlässlich der gamescom 2018 das erste Spiel, das eine Freigabe erhielt, verfassungsfeindliche Symbole (Hakenkreuze, Hitlergruß, SS-Runen u. a.) abzubilden, sodass es im September 2018 auch in Deutschland erscheinen konnte. Mit einer Mischung aus interaktivem Film, audio-visueller Ausstellung, Enzyklopädie und Rätselspiel vermittelt das von Historiker*innen der Karls-Universität in Prag entwickelte Attentat 1942 die Geschichte der deutschen Besatzung anhand des Attentats auf Heydrich. Wie auch in Through the Darkest of Times geht es in Attentat 1942 um die zivile Perspektive auf die nationalsozialistische Terrorherrschaft, Holocaust und zivilen Widerstand, die in Spielen bisher kaum Beachtung gefunden hat. Im August 2021 erschien mit Svoboda 1945: Liberation ein weiteres Spiel im selben Stil von Charles Games.
Diskussionspunkte
Aufgrund des „ungewöhnlichen“ Settings, der erstmaligen Anwendung der Sozialadäquanzklausel bei der Vollversion eines digitalen Spiels und der atmosphärischen Inszenierung wurde Attentat 1942 sehr positiv bewertet. Die Vermischung von historischen Artefakten, Fotografien und Filmausschnitten mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen und interaktiven Videointerviews vermeintlicher Zeitzeug*innen sowie vielfältige enzyklopädische Hintergrundinformationen führt zu einer starken Authentifizierung der historisierenden Inszenierung. Der tatsächliche Anteil klassischer Spielelemente neben den interaktiven Gesprächen und museal anmutender Präsentation von historische Artfakten ist relativ gering, auch wenn in den historisierenden Rückblenden kleinere Rätselspiele gelöst werden müssen. Die Darstellung des Holocaust bleibt etwas oberflächlich und vage, wohl um die jüngeren Spieler*innen nicht zu sehr zu belasten.
Einsatzmöglichkeiten
Das Spiel bietet sich im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Thematisierung von Holocaust und zivilem Widerstand sowie persönlicher Wahrnehmung und Verarbeitung des Kriegsgeschehens bis in die Nachkriegszeit hinein an. Anhand der inszenierten Gespräche mit „Zeitzeug*innen“, die sich zum Teil widersprechen oder über bestimmte Themen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt genauer sprechen wollen, lassen sich private Motive und die Perspektivität von Zeug*innenberichten problematisieren und Quellenkritik üben. Das Spiel gibt der Spieler*in nach Minigames und Interviews Rückmeldung darüber, welche gewählten Optionen historisch eher unwahrscheinlich gewesen wären, welche Informationen gesammelt und wie viele weitere Antworten möglich gewesen wären, sodass sich die Spieler*in entscheiden kann, das Gespräch fortzusetzen oder neu zu starten.
Das Spiel ist relativ preiswert, benötigt keine nennenswerten Ressourcen und kann mit einer Gesamtspielzeit von unter zwei Stunden gut bewältigt werden. Neben Versionen für Windows und Mac sind mittlerweile auch mobile iOS- und Android-Versionen erhältlich. Denkbar wären parallele Spielesitzungen in Gruppen oder gemeinsames Spielen in der Klasse als Grundlage für anschließende Diskussionen über erlangte Informationen oder die repräsentierten Sachverhalte.
Weiterführendes Material
- media:net berlinbrandenburg. „games:net Berlin Europe presents: Playing History – Tackling Europe´s Past with Video Games“. YouTube, 30.03.2021, zuletzt aufgerufen am: 06.06.2021.
- Šisler, Vít. „Contested Memories of War in Czechoslovakia 38-89: Assassination: Designing a Serious Game on Contemporary History“, Game Studies 16, (2) 2016, zuletzt abgerufen am: 06.06.2021.
- Welzer, Harald / Moller, Sabine / Tschuggnall, Karoline: „Opa war kein Nazi. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis“, Frankfurt am Main 2002.
- Wildt, Michael. „Der Untergang. Ein Film inszeniert sich als Quelle“. Zeithistorische Forschungen 2, no. 1 (2005): 131-142.
- Zimmermann, Felix. „Wider die Selbstzensur – Das Dritte Reich, nationalsozialistische Verbrechen und der Holocaust im Digitalen Spiel“. gespielt, 27.08.2017, zuletzt aufgerufen am: 06.06.2021
Zitierempfehlung
Heinemann, Jan. „Attentat 1942“. Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 24.06.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]