Spec Ops: The Line
Im Third-Person-Shooter Spec Ops: The Line gilt es für die Spieler*innen zunächst, sich Klarheit über einen Militärkonflikt zwischen verschiedenen Parteien zu verschaffen. Genreunüblich werden jedoch Freund-Feind-Schemata zunehmend aufgeweicht und die Spieler*innen müssen sich in ihrer eigenen (moralischen) Haltung hinterfragen.
Spec Ops: The Line ist seit Januar 2024 digital nicht mehr erhältlich. Mit Hilfe von bereits erworbenen physischen und digitalen Kopien kann es jedoch weiterhin gespielt werden.
Trailer
Erinnerungskulturelle Einordnung
Veröffentlicht am:
Die Handlung von Spec Ops: The Line ist in einer alternativen Version des modernen Dubais angesiedelt, das durch eine Naturkatastrophe zu einem Kampfgebiet geworden ist. Die sich bekriegenden Fraktionen setzten sich aus verschollenen amerikanischen Truppen, Geheimdienstagenten und einheimischen Aufständischen, zu denen noch diverse Flüchtlinge kommen. Der*die Spielende ist der Kommandeur einer Einheit, die sich immer tiefer in die Stadt reinkämpfen muss, mit genrekonformen Spielmechaniken, und herausfinden soll, was passiert ist. Die Operation beginnt mit dem Versuch der Kontaktaufnahme mit Konrad, dem Befehlshaber der US-Truppen. Die Situation verschlechtert sich aber aufgrund unvorhersehbarer Umstände und die Einheit wird durch innere und äußere Spannungen auf die Probe gestellt. Nachdem offensichtlich wird, dass die Einheit Kriegsverbrechen begangen hat, entwickeln sich die weiteren Aktionen zu einem persönlichen Rachefeldzug des Kommandanten und stellt die Moralität des ganzen bisherigen Geschehens in Frage.
Spec Ops: The Line ist seit Januar 2024 digital nicht mehr erhältlich. Gegenüber IGN bestätigte der Publisher 2K Games, dass das Spiel aus Lizenzgründen nicht mehr zum Verkauf angeboten wird. Es gäbe auch keine Pläne, das Spiel wieder verfügbar zu machen. Mit Hilfe von bereits erworbenen physischen und digitalen Kopien kann es jedoch weiterhin gespielt werden.
Video-Kurzreview
Erinnerungskulturelle Bedeutung
Spec Ops: The Line ist ein erinnerungskulturell relevantes Spiel aufgrund der Tatsache, dass es als eines der ersten die Perspektive des Täters eingenommen hat, der die Gräueltaten des Krieges nicht nur erlebt, sondern begeht. Dies fungiert als Dekonstruktion der üblichen Narrative in Kriegsspielen.
Das Spiel ist der letzte Teil einer langen Reihe taktischer Shooter, an dessen Erscheinen Hoffnungen auf eine Revitalisierung geknüpft waren und es wurde den Entwickler*innen mehr kreative Freiheit eingeräumt. Dementsprechend weicht es vom bisherigen Spielprinzip der Spec Ops-Reihe ab, bewegt sich aber durchaus in der Tradition von Konsolen-Shootern mit Deckungs-Mechanik und einer linearen Geschichte. Zwar sticht das Spiel mit seinem nahöstlichen Wüstensetting nicht aus der Masse der Shooter seiner Zeit hervor, doch die psychologischen, philosophischen und politischen Themen, welche über das Spiel verarbeitet werden, sind besonders hervorzuheben. Angelehnt an Joseph Conrads Roman „Heart of Darkness“ und dem davon inspirierten Film „Apokalypse Now“, behandelt Spec Ops: The Line vor allem den Abstieg in die Immoralität. Die Frage nach der Verantwortung und Schuld der Spielenden selbst wird unterstreicht und es enthält ihnen, im Gegensatz zu genreüblichen Shootern, die Konsequenzen ihres Handelns nicht vor. Diese werden mit den schrecklichsten Bildern untermauert, welche die Frage nach dem Sinn des eigenen Verhaltens stellt, sowohl narrativ im Spiel als auch performativ als Spielende*r.
Diskussionspunkte
Spec Opst: The Line artikuliert deutliche Ablehnung gegenüber Krieg und Gewalt, hinterfragt jedoch nicht alle Dimensionen dieser Aspekte. Betrachtet der*die Spielende das Setting, so ist die humanitäre Katastrophe, die sehr an die Situation im okkupierten Irak erinnert, menschlich unverschuldet, aufgrund einer ökologischen Anomalie aufgetreten. Diese Kritik wird aber dadurch abgeschwächt, dass im Spiel die Intervention der amerikanischen Militärs nicht als allheilbringendes Ereignis dargestellt wird, sondern eine noch prägnantere Verschlechterung der Situation herbeiführt. Wenn man bedenkt, dass sich die Hauptkritik des Spiels gegen die übliche Konvention von Gewaltanwendung als einzigen Handlungsspielraum in Shootern wendet, kommt diese vielleicht zu kurz. Die Unterwanderung genretypischer Erwartungen begrenzt sich daher auf ein sich immer wiederholendes Feuergefecht, welches groteske Ausmaße einnimmt. Insgesamt hat der Spieler wenig Handlungsmacht, lediglich das Ende bietet die Möglichkeit selbst Stellung zu beziehen, indem man explizit vor die Wahl gestellt wird sich zu ergeben oder weiterzukämpfen. Auch ökologische, politische und soziale Aspekte werden angeschnitten, aber nicht thematisiert: wie kam es zu der ökologischen Katastrophe und warum evakuierten die Eliten die Stadt und hinterließen die Armen?
Einsatzmöglichkeiten
Durch seine dramaturgische Darstellung von Konfliktsituationen ist Spec Ops: The Line dafür geeignet, die Folgen von Krieg und Gewalt und deren mediale Präsenz zu problematisieren. Sowohl passive als auch aktive Teilnehmer an Konflikten werden physisch und psychisch traumatisiert, wobei erst die grausamen Tode der Zivilisten diese vermenschlichen. Wieso können wir den Wert eines Menschenlebens nur im Nachhinein und unter Verwendung dramatisierender Bilder erfassen und kann die Verwendung solcher Bilder trotz des Ziels einer Kritik kontraproduktiv wirken? Die nicht behandelten Themen von ökologischer Katastrophe und sozialer Stratifizierung können auch als Startpunkte für weitere Diskussionen genommen werden.
Aufgrund seiner Alterseinstufung ist Spec Ops: The Line nicht für den direkten Einsatz im Schulunterricht geeignet. In Anbetracht des narrativen Fokus des Spiels geht allerdings nicht viel davon verloren, wenn die Schüler*innen nicht selbst spielen, sondern die wichtigen Momente in sorgfältig ausgewählten Let’s Plays gezeigt bekommen. In Bildungskontexten mit erwachsenem Zielpublikum können alternativ Speicherstände vorbereitet werden, um spezifische Schlüsselmomente spielen zu können. Technisch sind dabei keine größeren Herausforderungen zu erwarten, da es sich um einen älteren Titel handelt, der noch gut auf heutigen Systemen läuft.
Weiterführendes Material
- Jørgensen, Kristine. „The Positive Discomfort of Spec Ops: The Line“ Game Studies 16, Nr. 2 (Dezember 2016),
- Keogh, Brendan. Killing is harmless: A critical reading of Spec Ops: The line. Marden: Stolen Murray, Soraya. „Race, Gender, and Genre in Spec Ops: The Line“ Film Quarterly 70, Nr. 2 (Winter 2016), 38-48, Projects, 2012.Payne, Matthew
- Smethurst, Tobi, „’We Put Our Hands on the Trigger with Him‘: Guilt and Perpetration in Spec Ops: The Line,“ Criticism 59, Nr. 2 (Frühling 2017), 201-221.
- Thomas. „War Bytes: The Critique of Militainment in Spec Ops: The Line,“ Critical Studies in Media Communication 31, Nr. 4 (Oktober 2014), 265-282.
Zitierempfehlung
Ancuta, Stefan. „Spec Ops: The Line“, Datenbank Games in der Erinnerungskultur. Stiftung Digitale Spielekultur, 24.06.2021. [URL], zuletzt aufgerufen am: [Datum]