Bildung, Forschung

„Warum wir Putin auf dem Virtual Battlefield den Krieg erklärt haben.“ (Hendrik Lesser)

© Stiftung Digitale Spielekultur

Games sind die aktuell einflussreichste Kulturtechnik unserer Gesellschaft. Seit Jahrzehnten hat sich dieser wichtige Teil der Nerdkultur nach Vorne geschoben bei Dimensionen wie Umsatz, Relevanz für Lebensrealitäten, künstlerischer Avantgarde, sozialer Vernetzung, Repräsentanz etc.

Games formen somit die Realität für Milliarden von Menschen mit. 

Da Entwickler von Videospielen sehr leicht ein globales Publikum ansprechen können und somit ihre Narrative, Einblicke in Systeme und Mythen verbreiten, die das Denken und die Einstellungen der Menschen maßgeblich beeinflussen können, gibt es hier nicht nur eine große Chance; sondern auch eine ebenso große Verantwortung in Bezug auf Effekte, Messaging oder Konditionierung.

Eine geopolitische Realität ist hierbei, dass sich insbesondere autoritäre Staaten wie China, Saudi-Arabien und Russland dieser Kulturtechnik bemächtigen für Soft Power-Strategien in Zusammenarbeit mit heimischer und internationaler Games Industrie. Das kann man markterweiterungstechnisch begrüßen, oder freut sich über Investitionen, aber es birgt auch Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.

Denn die Leitbilder verschiedener Kulturen und Nationen sind bekanntermaßen unterschiedlich und das ist auch fein so. 

Aber nur zu oft und im vermehrten Maße gibt es akuten Dissens, was das für das Miteinander auf weltpolitischer Bühne bedeutet. Welche Realitäten und insb. Visionen der Zukunft teilen wir alle, welche nicht und wie fragmentiert sich das in Blöcke? 

Wer führend ist im Wettbewerb der Hearts und Minds, hat sicher Vorteile. 

Hier sind Games längst Battleground. Wie erst vor Wochen thematisiert im Rahmen einer Konferenz des Europarats, zu der ich zu den Themen state und non-state actors und Games im Kontext Terrorismus, Krieg, Framing etc. beisteuern konnte. 

Psy Ops is happening. Leider. 

Das sollte Call-to-Action sein: Wenn die FDGO under threat ist, ist es Defcon 3 für digitale Kulturarbeit.

Denn Kulturarbeit kann und sollte (nur nicht ausschließlich) dabei helfen, Aufklärungsarbeit zu leisten und Narrative, Counter-Narrative und Mythen zu schaffen, die unserem Wertesystem entsprechen und es auch propagieren. 

Games Entwickler sollten somit gern Games machen mit Außenpolitik im Hinterkopf.

Games sind als Kulturtechnik fähig, nicht nur Geschichten erlebbar zu machen, sondern sie provozieren die aktive Auseinandersetzung mit einem Thema und verlangen vom Spieler Entscheidungen und Aktion. Sie sind gelebte Herausforderung, sie bilden den Charakter mit. 

Sie können dabei komplexe Zusammenhänge erfahrbar machen, interessante Entscheidungen triggern und dabei dem Spieler die Möglichkeit geben, die Welt besser zu verstehen. Neben diesen edukativen Effekten sind Games stark emotional und schicken den Spieler bestenfalls in den Flow.

Das macht sie zu einem sehr starken meinungsbildenden Medium.

Ich selbst hatte 2022 das Privileg, die Reboot Develop Blue Konferenz in Kroatien mit einer Rede mit dem Titel “Call to arms – democracy is non-negotiable – how to be digital culture warrior” zu eröffnen.

Und 2023 diesem Narrativ auch mit dem Spiel “Death from Above” Taten folgen zu lassen unter dem Banner unseres neuen Publishing Labels “Lesser Evil”. Ein Spiel über einen ukrainischen Drohnenpiloten an der Front. Mit ukrainischen Künstlern & Partnern und einem multinationalen Team an Entwicklern. 

“I think the game is groundbreaking in broaching a serious conversation among gamers and game developers” sagt Dean Takahashi vom führenden Industriemedium gamesbeat dazu.

Wir wollen damit Bewußtsein und Diskussion anstoßen, Stellung beziehen und Moral der ukrainischen Seite und ihrer Verbündeten heben. Aus unserer Sicht aufgeklärte, selbstreflektierende, künstlerische Propaganda. Für uns ist das erst der Anfang. 

Ich hoffe, dass das Interesse des Auswärtigen Amts für Games, die Bereitschaft mit Auswärtsspiel in den Dialog zu gehen und Formate zu entwickeln, auch nur der Anfang einer digitalen, wertegeleiteten und sich allen Medien bedienenden post-postmodernen Außenpolitik sind. 

Erst durch das Mitspielen gilt: game on.