Digitale Spielewelten aus der analogen Welt


Karten sind im klassischen Sinne Darstellungen einer Landschaft auf Papier oder etwas ähnlichem. Dabei wird in der Regel stark verkleinert, vereinfacht und mit Symbolen gearbeitet, um alles möglichst korrekt darzustellen. Formell müsste zwischen Karte und Plan, wie bei Stadtplan oder Lageplan, unterschieden werden – für den Zweck der Methode ist das allerding eher hinderlich.

Ziel der Methode ist es, mit Hilfe digitaler Spiele Karten zu erstellen. Die Erstellung von Karten scheint auf den ersten Blick etwas sehr einfaches, bis man es selber versucht. Diese aufkommenden Hürden lassen sich als Potenziale für die pädagogische Bildung nutzen. Denn wenn es keine einfache Lösung für alles gibt, ist Medienkompetenz und -vermittlung gefragt. Gleichzeitig ist dies eine gut geeignete Methode sowohl für die Einzelarbeit zum Tüfteln als auch für einen dynamischen Gruppenprozess.


Folgende drei Elemente haben alle Karten gemein:

1. Der Maßstab

Eine Karte ist so gut wie nie in Originalgröße abgebildet, es muss immer zuerst ein passender  Maßstab gefunden und eingehalten werden, da die Karte sonst ihren eigentlichen Zweck der Orientierungshilfe nicht erfüllen kann. Abgesehen von mathematischen Möglichkeiten gibt es hier zwei sehr spannende Ansätze. Symbole und Abstraktion müssen geschickt zur Vereinfachung eingesetzt werden. Spannend sind auch Kartenanamorphosen, also Karten mit einem variablen Maßstab. Obwohl das seltsam klingt, werden Stadtpläne oft mit variablem Maßstab dargestellt. Dabei ist die Innenstadt dann größer als die umliegenden Bezirke. Diese ‚richtig‘ zu machen ist sehr mathematisch. Stark vereinfacht lässt sich das jedoch auch ohne Vertiefungen der Mathematik via π*Daumen lösen.

2. Abstraktion und Vereinfachung

Es lassen sich nie alle Details auf einer Karte festhalten. Dies ist nicht nur dem Maßstab geschuldet. Selbst bei Karten mit kleinen Maßstäben wird immer weniger von dem dargestellt, was tatsächlich vorhanden ist. Würde man auf einem Stadtplan tatsächlich alles darstellen, das vorhanden ist, würde man schnell nichts mehr erkennen. Abstraktion und Vereinfachung sind notwendig, um die Karte auf das Wichtigste zu reduzieren. Daher werden bei Stadtplänen öffentliche Toiletten nur durch Symbole gekennzeichnet und Gebäude auf farbige Flächen reduziert. Der Zweck einer Karte bestimmt ihr Aussehen. Der Plan eines Kanalisationssystems und des öffentlichen Verkehrsnetzes gleichen sich in keiner Weise, auch wenn sie den selben Bereich einer Stadt abdecken. Es wird also von dem*der Ersteller*in des Plans verlangt zu wissen, welche Informationen für die später Nutzer*innen relevant sind und wie diese durch Symbole, Beschreibungen und Vereinfachung dargestellt werden können. Hier bietet sich auch enorme kreative Freiheit.

3. Legende

Die in der Karte verwendeten Symbole und Zeichen werden in der Legende erklärt. Eine sehr durchdacht erstellte Karte kann jedoch auch ohne Legende auskommen. Viele Symbole und Darstellungsweisen haben nahezu allgemeingültige Bedeutungen und werden auch ohne Erklärung verstanden. Das gilt jedoch nicht für alles und so können gerade die Arbeit in interkulturellen Gruppen und die daraus entstehenden Missverständnisse für spannende Überraschungen sorgen. Eine Karte kann natürlich auch ganz bewusst auf die Legende verzichten und diesen Informationsmangel als spielerisches Element nutzen, so dass die (abstrakt) dargestellten Wahrzeichen und geologischen Besonderheiten erst ‚entschlüsselt‘ werden müssen.

Ein schönes Beispiel für alle drei Elemente sind die klassische Schatzkarten, wie man sie in Piraten-Abenteuern findet. Eingezeichnet sind lediglich ‚Landmarks‘ also Sehenswürdigkeiten oder Besonderheiten in der Landschaft: Der alte große Baum, die Höhle oder das Denkmal. Diese können hochgradig abstrahiert dargestellt, aber dennoch verstanden werden. Zudem zeichnen sich Schatzkarten selten dadurch aus, dem Maßstab auch nur im geringsten Beachtung zu schenken: Der Baum ist 5 cm groß gezeichnet und die Strecke bis zum ‚X‘ eine 3 cm lange Schlangenlinie die ’50 Schritte zur Morgenröte‘ angibt. Im Beispiel wird sogar mit der Legende gespielt. Das X ist zwar quasi universelles Zeichen für das Ziel bzw. den Schatz, die Richtung ‚Morgenröte‘ allerdings eher Abstraktum für ‚Osten‘.


Digitale Schnittstelle

Es gibt prinzipiell drei verschiedene Möglichkeiten digitale Karten zu erzeugen:

1. Zeichenprogramme wie Paint (Standard bei Windows), GIMP (OpenSource und kostenfrei erhältlich unter GIMP) oder Photoshop. Dies ist die einfachste, aber auch aufwendigste Methode, da man aber alles selbst machen muss.

2. Kartografie-Programme

Insbesondere im Kontext des Worldbuildings im Rahmen von Rollenspielen oder für Autor*innen ein wichtiges Thema. Hier gibt es komplexe Tools wie Campaign Cartographer 3 und ähnliches. Wer sich in die Mapmaking-Szene einlesen möchte, kann das zum Beispiel hier machen: https://www.reddit.com/r/mapmaking/wiki/index

3. Map Editoren und Computerspiele

Die wohl einfachste und schönste Methode ist es, bestehende Map Editoren und Tools zu nutzen, die in Computerspiele eingebettet sind. Je nach Stilrichtung (Design, Art, etc.) des Spiels, welches als Grundlage der Karte fungiert, müssen die verschiedenen Abstraktionsebenen anders angesetzt werden. Wichtig ist, wie bereits oben erwähnt, dass am Ende eine Karte herauskommt, an der andere erkennen können, wofür sie ist – und dass sie funktioniert.


Nennenswerte Spiele mit geeigneten Editoren:

  • Stadt-Aufbau-SpieleSim City (Alle Teile), Cities: Skylines, die Anno-Reihe und ähnliche digitalen Spiele. All diese Spiele sind wunderbar geeignet, um realitätsnahe Karten zu erstellen. Cities: Skylines bietet dabei sogar den Import typologischer Daten an, um einen Grundstein zu legen.
  • Hauspläne/ArchitekturDie Sims. Die Sims-Titel bilden wohl die beste und spielerischste Möglichkeiten Pläne in ‚Hausgröße‘ zu erzeugen.
  • Echtzeitstrategie-Aufbauspiele: StarCraft 2 (der Galaxy-Map-Editor), Age of Empires und ähnliches Titel. RTS Spiele liefern oft wundervolle Map Editoren. Besondere Erwähnung dabei muss Starcraft 2 finden. Der dem Spiel beiliegende Editor ist ein sehr mächtiges Tool, mit dem nicht nur Karten, sondern auch einiges mehr erstellt werden kann, und das meiste davon ist auch über die kostenlose Starter Edition des Spiels verfügbar. Wer nur Karten erstellen möchte, ist hier aber auch sehr gut aufgehoben. Andere Beispiele finden sich in Age of Empires 2, Heros of Might and Magic 3, DOTA 2 und vielen anderen Vertretern des Genres.
  • Planeten-AufbauspieleCivilization, Europa Universalis und ähnliche Titel bilden eine gute Grundlage für Karten auf planetaren Maßstab. Je nach Spiel gibt es hier verschiedene Ansätze, wie Karten erstellt werden. So werden Karten in EU4 via ‚Bilddatein‘ angelegt ( http://www.eu4wiki.com/Map_modding), der Civilization Map Editor arbeitet mit Hex-Cells, also sechseckigen Zellen.
  • Ego-Shooter-Spiele: CryEngine, Unreal (mittlerweile sogar kostenlos hier erhältlich), Source und Co. sind mächtig Map-Editoren die dafür gemacht sind dreidimensionale Welten zu bauen. Die größte Hürde ist der erste Kontakt mit diesen wirklich umfangreichen Werkzeugen und der komplett neuen Art zu denken; Dreidimensionales gestalten. Sie erfordert also größere Vorbereitung für die pädagogische Begleitung. Die Hürde ist kleiner, als man denkt, und wer den Erstkontakt meistert, kann wirklich begehbare Karten erstellen oder auch einfach Level für Spiele bauen.
    (Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es einige Situationen gibt, in der die Schnittstelle Digital-Analoge Karte/Level nicht gut ankommt; die Schule als Counter-Strike Map oder der Stadtpark als Karte für Company of Heroes haben das Potential Menschen zu verärgern). Alternativ kommt hier auch wieder das medienpädagogische Taschenmesser Minecraft zum Einsatz, das sich wunderbar dazu eignet, begehbare Karten, Pläne und Abbilder der realen Welt zu erschaffen.

Dauer
>30 Minuten

Sozialform
Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Plenum

Methoden-Ziele
Einstieg / Auflockerung, Wissensvermittlung, Sensibilisierung, Reflexion, Feedback / Abschluss

Zielgruppe
Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senior*innen, Eltern, Lehrer*innen, Pädagog*innen, Studierende, Hochschullehrende, Multiplikator*innen

Praxisfelder
Kindertagesstätte, Schule, Offener Ganztag, OKJA, Freizeit, Familie, Studium, Aus- und Weiterbildung

Pädagogische Besonderheiten
Interkulturell

Benötigte Materialien
Flipchart, Pinnwand, Bastelmaterialien, Tafel, Whiteboard

Technische Hilfsmittel
Computer, Anwendungssoftware, Spielesoftware, Apps, Drucker, GPS-Gerät, Internetzugang

Creative Commons

Der/die Autor*in hat diese Methode unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlich. Das bedeutet, dass Sie die Methode mit wenigen Einschränkungen nutzen und ggf. weiterveröffentlichen dürfen.

Die Lizenzbedingungen, unter denen diese Methode und zugehörige Materialien genutzt werden dürfen, stehen online zur Einsicht bereit.

Hier geht es zu den Lizenz-Informationen.

Stephan Schölzel

Eigentlich wollte Stephan Schölzel Informatiker oder Grafiker werden, nach dem Zivildienst fand er sich allerdings im Studium der Sozialen Arbeit wieder. Dann lernte er das Feld der Medienpädagogik kennen und lernte, welche Potentiale in digitalen Spielen stecken können. Auch lernte er, dass es in diesem jungen Arbeitsfeld, das vor allem von “Risikoabwehr” dominiert wird, viele Chancen und viel zu machen gibt. Mit diesem Ziel im Kopf fand er seinen Weg zum “infocafe” der Stadt Neu-Isenburg. Eine der wenigen festen medienpädagogischen Einrichtungen mit einem Fokus in der Kinder- und Jugendarbeit. Seit 2010 arbeitet er dort sehr erfolgreich und befindet sich inzwischen in der Weiterbildung zum Master im Feld der Game Studies.

Kontakt: info@stschoelzel.de

Webseite: http://stschoelzel.de