Videospiele im Fokus der Aufmerksamkeit

Autor*in
Julia Föcker & Theresa Kraus​
Ursprünglich veröffentlicht am
23.11.2016

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Spielen von Action Video Games unterschiedliche Funktionen verbessert, wie z. B. die Aufmerksamkeit auf einzelne Bereiche des Gesichtsfeldes zu lenken und Zielreize in nebeligen Umgebungen zu entdecken.
Um den Einfluss von Videospielen auf kognitive und perzeptuelle Funktionen zu erforschen, wurden Trainingsstudien durchgeführt, in denen Nicht-Videospieler in einem Umfang von 10 Stunden (eine Stunde pro Tag) entweder ein Action Videospiel spielten (z. B. Unreal Tournament, Medal of Honor) oder Spiele einer anderen Spiele-Kategorie (z. B. Tetris). Vor und nach dem Training wurde gemessen, wie sich Aufmerksamkeitsprozesse in den beiden Gruppen veränderten. Ergebnisse zeigen, dass Probanden, die Action-Spiele spielten, bessere Leistungen in verschiedenen Teilbereichen der Aufmerksamkeit zeigten im Vergleich zu den Personen, die Tetris oder The Sims spielten.

Welche Unterschiede liegen diesen besseren Leistungen bei Videospielern zu Grunde? In der Literatur werden im Wesentlichen zwei Aufmerksamkeitsnetzwerke diskutiert, die eng miteinander zusammenarbeiten: Das ‚Top-Down Netzwerk‘ und das ‚Bottom-Up Netzwerk‘. Top-Down Kontrolle bezieht sich auf höhere kognitive Mechanismen, wie z. B. die Erwartung, dass ein Zielreiz an einem bestimmten Ort erscheinen wird. Bottom-Up Prozesse werden hingegen mit der Reorientierung der Aufmerksamkeit hin zu sehr auffälligen Reizen, die z. B. unerwartet auftreten, in Verbindung gebracht.

Das neuronale Top-Down Netzwerk zeigt eine erhöhte Aktivierung bei symbolischen Hinweisreizen, die die Versuchsperson auffordern, auf einen bestimmten Ort oder einen bestimmten Zielreiz zu achten. Das Bottom-Up Netzwerk hingegen ist z. B. bei Aufmerksamkeitsreorientierung aktiviert. Interessanterweise hat eine Studie gezeigt, dass Action-Videospieler die Top-Down-Aufmerksamkeitsnetzwerke weniger stark rekrutieren als Nicht-Videospielern.

In dieser Studie wurden Videospielern zwei visuelle Suchaufgaben dargeboten, eine leichte und eine schwierige Aufgabe, in denen sie jeweils einen Zielreiz in einer kreisförmigen Anordnung von anderen Symbolen entdecken mussten. Die Ergebnisse zeigen, dass Videospieler das Top-Down Netzwerk im Vergleich zu Nicht-Videospielern weniger stark rekrutieren, wenn die Bedingung der hohen Aufgabenschwierigkeit mit der Bedingung der niedrigen Aufgabenschwierigkeit verglichen wurde. Die reduzierte Aktivität zeigte sich in Arealen, die zum typischen Top-Down Netzwerk gehören. Gleichzeitig äußerte sich auf Verhaltensebene, dass Videospieler insgesamt schneller reagierten als Nicht-Videospielern.

Wie lässt sich die reduzierte Aktivierung des Top-Down Netzwerks bei Videospielern im Vergleich zu Nicht-Videospielern erklären? Das Lösen der Aufgaben scheint bei Videospielern stärker automatisiert zu sein. Wir gehen daher davon aus, dass Videospieler die Top-Down Netzwerke weniger beanspruchen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Videospieler weniger kognitive Kapazitäten zur Lösung der Aufgaben einsetzen müssen.

Dieser Artikel bezieht sich auf die Ergebnisse des Artikels Neural bases of selective attention in action video game players.


Julia Föcker ist akademische Rätin auf Zeit in der Abteilung Klinische Neuropsychologie an der Ludwig Maximilians Universität in München unter der Leitung von Herrn Prof. Thomas Schenk. Sie erforschte unter anderem den Einfluss von Videospielerfahrung auf neuronale Aufmerksamkeitsnetzwerke im Gehirn.

Theresa Kraus ist Masterstudentin im Fachbereich Psychologie an der LMU in München. Sie beschäftigt sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit funktioneller Konnektivität bei Videospielern.

Die Autorinnen danken Prof. Daphne Bavelier, Rebecca Achtmann und Merri Mani.