3×3 nachgefragt zu “Auswärtsspiel” – Teil 3
Die Veröffentlichung des Fragenkatalogs von „Auswärtsspiel” steht kurz bevor! Mit dem Projekt „Auswärtsspiel”, gefördert durch das Auswärtige Amt, gehen wir als Stiftung Digitale Spielekultur den Fragen nach, welches Potenzial digitale Spiele für die Vermittlung von außenpolitischen Themenkomplexen haben und wie man Interessierte für außenpolitische Bilder und Narrative in Games sensibilisieren kann. Am 02. Dezember tagte unser interdisziplinäres Expert*innen-Gremium, um für diese hochaktuelle Schnittstelle erste Leitfragen zu entwickeln.
Dazu haben wir drei Expert*innen des Gremiums, nämlich
Riad Djemili, Mitbegründer des Spielestudios Maschinen-Mensch,
Gabriele Woidelko, Leiterin des Bereichs Geschichte und Politik der Körber-Stiftung, und
Dr. Felix Zimmermann, Referent für Gameskultur, politische Bildung und Extremismus bei der Bundeszentrale für politische Bildung,
drei Fragen gestellt.
Während sich die erste Frage gemäß der Tätigkeit der interviewten Expert*innen unterschied, waren die zweite und dritte Frage für alle identisch.
Frage 1 an Riad Djemili: Als Spieleentwickler in Berlin bist du mitten in der deutschen Games-Branche unterwegs. Welche Themen sind in Deinen Augen aktuell in Games bzw. für Games besonders wichtig?
Für die deutsche Games-Branche ist es besonders wichtig, weiterhin auf die richtigen Rahmenbedingungen hinzuarbeiten. Dazu muss unter anderem die bundesweite Computerspielförderung weiter ausgebaut und noch verlässlicher werden. Ebenso müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Andernfalls droht Deutschland nicht nur in Bezug auf die technologische Innovationskraft, sondern auch in Bezug auf die Vermittlung unserer kulturellen Perspektive zurückzufallen.
Frage 1 an Gabriele Woidelko: In Ihrer Tätigkeit bei der Körber-Stiftung beschäftigen Sie sich mit der Bedeutung von Geschichte für aktuelles politisches Geschehen. Welche Themen sind daher aus Ihrem gerade historisch geprägten Blick aktuell für die deutsche und europäische Außenpolitik besonders wichtig?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Angriff auf Europa und auf die internationale, wertebasierte Ordnung. Um den Krieg, seine Vorgeschichte und Folgen einordnen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit der Entstehung und Entwicklung der internationalen Ordnung im 20. Jahrhundert von besonderer Bedeutung. Dazu zählen die Folgen des 1. Weltkriegs und die Entstehung des Völkerbundes ebenso wie die (Wieder)Entstehung von Nationalstaaten in Mittel- und Osteuropa und die damit verbundenen bewaffneten Auseinandersetzungen der 20er Jahre. Mit Blick auf das Erbe des 2. Weltkriegs und die Zeit der europäischen Teilung stehen die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen nach 1945, verschiedene Mechanismen interessengeleiteter Politik der Alliierten als Sieger des 2. Weltkriegs in der Nachkriegszeit und Fragen von Bündnissen, Konfrontation und Abschreckung währen der Zeit des Kalten Krieges im Mittelpunkt. Nachholbedarf besteht aus meiner Sicht in Deutschland insbesondere bei einer vertieften Auseinandersetzung mit dem aktuellen Selbstverständnis Russlands, das sich aus der nicht aufgearbeiteten imperialen Expansions- und Repressionsgeschichte des Landes speist.
Frage 1 an Felix Zimmermann: In Ihrer Tätigkeit als Referent für Gameskultur beschäftigen Sie sich täglich mit der politischen Wirkungsmacht von digitalen Spielen. Welche Themen sind in Ihren Augen in Games bzw. Für Games aktuell besonders wichtig?
Auch wenn die Entwicklung digitaler Spiele – besonders aufwendiger Großproduktionen – einige Jahre in Anspruch nimmt, sind sie doch stets ein guter Gradmesser für die politischen Debatten, die gegenwärtig gesamtgesellschaftlich von Bedeutung sind. Historische Themen haben eigentlich immer auf die eine oder andere Art und Weise Konjunktur, weswegen Fragen der Erinnerung auch von aktuellen Games aufgeworfen werden, beispielsweise auffällig reflektiert in „Pentiment“. Besonders ist aber sicherlich im Moment, dass in und um Games über die drohende Klimakatastrophe reflektiert wird, indem beispielsweise Spielmechaniken der Expansion und Ausbeutung hinterfragt und unterminiert werden wie in „Terra Nil“ oder indem ganz konkret über den ökologischen Fußabdruck von Produktion und Konsum von Games mit immer größeren virtuellen Welten und immer aufwendigeren grafischen Darstellungen nachgedacht wird.
Frage 2: „Auswärtsspiel” beschäftigt sich als Projekt mit der Schnittstelle von Außenpolitik und/mit digitalen Spielen. Welche Chance sehen Sie dabei in dieser Schnittstelle?
Riad Djemili: Games werden das neue Leitmedium und vermitteln als Kulturgüter unsere Werte. Als solche verarbeiten sie direkt oder indirekt auch unser Demokratieverständnis und unsere Wahrnehmung von Außenpolitik. Alle Spiele sind inhärent politisch.
Gabriele Woidelko: Rund 37% der Deutschen, die über 16 Jahre sind, nutzen in ihrer Freizeit laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom aktiv und regelmäßig digitale Spiele. Gleichzeitig sehen wir, dass die Herausforderungen in der internationalen Politik immer größer werden. Das Schnittstellenprojekt „Auswärtsspiel“ bietet die Chance, das Bewusstsein für außenpolitische Themen sowohl bei Spielenden als auch unter Spieleentwickler:innen zu schärfen und generell in der Gaming-Community das Interesse an Außenpolitik zu stärken.
Felix Zimmermann: Games und dabei besonders bestimmte Genres von Games – vor allem Strategiespiele verschiedener Ausprägung – haben eine enge Verbindung zu Themen der Außenpolitik. Historisch gewachsen sind hier vor allem Spielmechaniken, die einem unterkomplexen Verständnis von Außenpolitik Vorschub leisten und häufig Handlungskorridore in Richtung von Expansion und Krieg verengen. Die Fähigkeit von Games, komplexe Systeme zu simulieren und Spieler:innen in diesen Systemen mit verschiedenen Rollen und unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten experimentieren zu lassen, können potenziell diplomatisches Handeln spielerisch zugänglich machen. Es gilt dahingehend darüber zu reflektieren, wie gerade Games einen positiven Beitrag zu einer politischen Bildung in Bezug auf die doch in der Regel schwierig durchschaubaren außenpolitischen Handlungs- und Entscheidungsprozesse leisten könnten.
Frage 3: Was kann der Leitfragenkatalog von „Auswärtsspiel” in Ihren Augen dazu leisten?
Riad Djemili: Der Leitfragen-Katalog kann interessierten Studios neue Perspektiven aufzeigen und die Sensibilität gegenüber den vermittelten menschlichen und ökonomischen Werten stärken.
Gabriele Woidelko: Der Leitfragen-Katalog ist eine Orientierungshilfe für Spielende, Multiplikator:innen und Entwickler:innen. Er ermöglicht die kritische Auseinandersetzung mit der Vermittlung außenpolitischer Inhalte in bestehenden Spielen, kann Hilfestellung für die Auswahl und den Einsatz einzelner Spiele in konkreten Lern- und Vermittlungssituationen geben und zeigt Kriterien auf, die für die Entwicklung neuer Spiele von Interesse sein könnten.
Felix Zimmermann: Über das Verhältnis digitaler Spiele zur Außenpolitik wurde bisher nur vereinzelt gesprochen, zumeist in engen akademischen Fächergrenzen, beispielsweise wenn nach dem Geschichtsbild eines Globalstrategiespiels wie „Civilization“ gefragt wurde, allerdings zumeist ohne gesellschaftliche Breitenwirkung, Der Leitfragen-Katalog basiert auf den diversen Expertisen von sowohl Praktiker:innen als auch Wissenschaftler:innen, die sich in unterschiedlichen Themenfeldern bewegen. Es ist also gerade spannend, wie im Leitfragen-Katalog verschiedene Perspektiven auf Games und Außenpolitik zusammengebracht wurden und wie sich hieraus produktive, gleichzeitig eingängige Fragen entwickelt haben, die bei der Analyse von bestehenden und bei der Entwicklung neuer Titel in Richtung eines reflektierten Umgangs mit den Potenzialen und Risiken des Mediums weisen.